Die Rückkehr des Revoluzzers
Hans Neuenfels’ (77) letzte Salzburg-Inszenierung wurde zum Gerichtsfall. Er ist ein erfrischender OpernQuerdenker. Morgen feiert „Pique Dame“Premiere.
Wer das Glück hat, persönlich mit Hans Neuenfels zu plaudern, kann den reizenden älteren Herrn nur schwer mit seinem Ruf in Einklang bringen. Höchstens der funkelnde Witz des scharfsinnigen, höflichen Mannes, der mit dem Charme der alten Schule gesegnet ist, erinnert an den Regisseur und Bürgerschreck, der die Stücke auf links dreht. Dabei sind seine Regiearbeiten bei genauerer Betrachtung keine intellektuellen Verdrehungen, sondern unheimlich humorvoll und fühlen sich tief in den Kosmos der Stücke hinein. Seine „Aida“-Inszenierung 1980 in Frankfurt hat seinen Ruf gefestigt: Aus der Aida machte er eine Putzfrau. Neuenfels hatte
stets szenische Lösungen parat, mit denen er die Nerven konservativer Opernbesucher strapazierte.
Längst wurde der Künstler, der auch ein exzellenter Schriftsteller ist, vom Betrieb einverleibt. Für Bayreuth hat er Wagners „Lohengrin“in ein Rattenlabor verlegt, was anfangs für Irritationen sorgte. Nach zwei, drei Jahren war diese Arbeit Kult, alle liebten die Inszenierung, die hinter der bizarren Kostümierung einfühlsam und bewegend geriet. In Berlin inszenierte er Mozarts „Idomeneo“als Auseinandersetzung mit den Weltreligionen. Die Aufführung wurde zeitweilig abgesetzt, weil man Übergriffe befürchtete. Schließlich zeigte Neuenfels einen enthaupteten Mohammed. Auch in Salzburg hinterließ er eine Duftmarke. 2001 inszenierte er eine „Fledermaus“, die empörte Besucher vor Gericht ziehen ließ.
Nun erkundet Neuenfels mit dem Dirigentengenie Maris Jansons „Pique Dame“. Neuenfels sagt, dass er für keine von Tschaikowskys Figuren Sympathie habe, aber Empathie empfinde. Worte eines legendären Künstlers, der mit 77 immer noch vor Entdeckerfreude platzt.