Höhenflug der unbemannten Wächter
Sie kontrollieren den Waffenstillstand in der Ukraine, überwachen Fischgründe und suchen das Mittelmeer nach ertrinkenden Flüchtlingen ab. Mit seinen Hubschrauberdrohnen ist Schiebel Weltmarktführer.
Die schrecklichen Bilder des Flammeninfernos in den griechischen Badeorten Rafina und Mati haben sich auch bei Hannes Hecher tief ins Bewusstsein eingebrannt. Allerdings blickt er aus einer ganz eigenen Perspektive auf die Katastrophe, die über 80 Menschen das Leben gekostet hat. Als Geschäftsführer von Schiebel Österreich sieht er das Krisengebiet als möglichen Einsatzort für die wendigen unbemannten Helikopter des Unternehmens.
Er spielt das Szenario durch: „Wenn wir schnell sind, können wir in einer halben Stunde mit unserem Lkw einsatzbereit sein, der passt in eine HerkulesMaschine vom Bundesheer. Wir wären zwar nicht so schnell wie ein Jet, aber doch in einigen Stunden am Ort.“Ob Schiebels Camcopter tatsächlich hätten helfen können, Menschen zu orten, sei dahingestellt, aber Hecher hofft, dass es in Zukunft zumindest die Möglichkeit dariable auf Basis einer europäischen Einsatzgruppe geben wird.
Heikle Einsätze absolvieren die Camcopter oft. 400 sind weltweit im Einsatz, so Hecher. Über die meisten Kunden darf er nicht sprechen. Bekannt sind aber die jetzt wieder aufgenommenen Aufklärungseinsätze im Auftrag der OSZE in der Ukraine, um den Waffenstillstand in der Region Donbass zu überwachen. Auch das italienische Militär verwendet Camcopter. Lange wurden die Drohnen im Mittelmeer für die Hilfsorganisation Moas auf die Suche geschickt, um Flüchtlinge zu orten und vor dem Ertrinken zu retten. In vier Stunden fliegt der unbemannte Minihubschrau- ber systematisch eine Fläche so groß wie das Burgenland ab, sein wichtigstes Werkzeug ist eine hochauflösende Kamera, die permanent Bilder liefert.
der Prototyp in den 1990er-Jahren noch einen Kettensägenmotor als Antrieb, sind die Camcopter inzwischen hochgezüchtete „Arbeitsbienen“mit immer größeren Einsatzbereichen, sobald dafür der Raum gesetzlich definiert wird. Grenzüberwachung gehört schon zum Standardrepertoire. Manche afrikanische Küstenstaaten schützen sich so gegen das illegale Leerfischen ihrer Fischgründe.
Die je nach Anforderung vafür Technik ist inzwischen so weit, dass etwa beim Laserscannen einer Landschaft analysiert wird, ob Bäume in einem Wald trocken oder feucht sind. „Daraus kann man Szenarien entwickeln, um Brandschneisen zu schlagen und großflächige Brände zu verhindern,“erläutert Hecher den möglichen Nutzen solcher Daten. Auch feine Ölfilme am Wasser werden identifiziert. 140 Mitarbeiter arbeiten in der Entwicklung in Wien, künstliche Intelligenz, übertragen auf ein Fluggerät, ist hier gelebter Alltag.
Weltweit geht es am Drohnenmarkt um Milliarden. Viele Anbieter wetteifern um Aufträge. In den USA dürfen Drohnen
fliegen, solange sie in Sichtweite eines Piloten etwa in einem Hubschrauber sind. Sollten Flüge ohne Sicht erlaubt werden, dürfte das Geschäft abheben.
In Europa ist davon noch keine Rede. Die oberste zuständige Behörde, Easa, erleichtere inzwischen Ausnahmegenehmigungen für bestimmte Gebiete, so Hecher. Eine der Hoffnungen von Schiebel ist, dass auch in Europa der Einsatz eines Camcopters von einem bemannten Flugzeug aus erlaubt wird.
Die Auftragsbücher sind jedenfalls so voll, dass der Werksstandort in Wiener Neustadt auf die doppelte Größe anwachsen soll. Nach Wunsch Hechers bis Ende 2019. Der Betrieb mit hundert Mitarbeitern platze aus allen Nähten. Viele Mitarbeiter arbeiteten in Containern, erzählt er. Man müsse dringend mehr Personal aufbauen. Hecher: „Wenn Mitarbeiter zu uns kommen, weil das Produkt toll ist, die Technologie spannend, dann wollen sie auch einen Schreibtisch und einen Stuhl.“
Ins Detail der zweistelligen Millioneninvestition will er nicht gehen, schließlich kämpfe man noch um die Genehmigungen. Den Zuschlag habe Österreich auch wegen der hervorragenden Zulieferer bekommen, 120 an der Zahl. In Österreich fliegt Schiebel mit 240 Mitarbeitern 70 Millionen Euro Umsatz ein, die Auslandstöchter nicht inkludiert. Hier nennt Hecher keine Zahlen. Eine eigene Fertigung unterhält Schiebel noch in den Vereinigten Arabischen Emiraten, weil es dort 2006 nicht nur den Rahmen für die Flüge gab, sondern auch einen Großauftrag. Aktuell können in Wiener Neustadt hundert Camcopter im Jahr produziert werden. Die Ausbaupläne lassen zumindest vermuten, wie schnell sich Schiebel im Senkrechtstart auf das nächste Level hochschrauben will.