Arbeitsplatz ohne Spielraum
Der Klagenfurter Walter Jobst urteilt als FIA-Steward über die Vergehen von Vettel und Co.
Es sind oft Entscheidungen, die lange nach einem Zeittraining und oder dem Fallen der schwarz-weiß karierten Zielflagge getroffen werden. Richtig beliebt machen sich die hohen Herrn Richter, die im stillen Kämmerlein über so manchen Übeltäter, der draußen auf den Rennstrecken dieser Welt sein Unwesen treibt, urteilen, Strafen oder Disqualifikationen aussprechen, nicht. Aber: Sportgesetz ist Sportgesetz, Reglement bleibt Reglement. Und Verstöße sind zu ahnden, wie auch im ganz normalen Straßenverkehr.
Einer dieser Sport-Kommissare des internationale Automobil-Verbandes (FIA) ist der Klagenfurt Walter Jobst. Er ist mittlerweile zum VollzeitRichter avanciert, ist nicht nur in der Formel 1 tätig, sondern auch in der DTM, in der European Formula
3, in der Truckmeisterschaft und auch in der European Le Mans Serie. „Aber freilich findet man mich auch bei kleinen nationalen Veranstaltungen in Österreich, wie im Klubsport. Da werden natürlich ganz andere Maßstäbe angewendet“, so
Jobst. Während es bei den hoch bezahlten Profis kein Pardon gibt, wird bei den Amateuren doch hin und wieder ein Auge zugedrückt.
Sein Arbeitsplatz bei der Formel 1 ist ein stiller, ruhiger Raum, wo er mit seinen drei Amtskollegen, darunter stets ein Ex-Rennfahrer, auf Millimeter genau jede Bewegung eines Rennwagens nachzeichnen kann. „Wir können auf vier Monitoren alle Autos per GPS genau verfolgen, sehen exakt, welche Linie das Auto fährt, wie schnell es ist, welchen Abstand es zu den jeweiligen Verfolgern hat, und, und, und. Darüber hinaus können wir auf jede Kamera zurückgreifen, freilich auch auf alle Onboard-Kameras. Wird ein Fahrer behindert oder blockiert, können wir das perfekt überprüfen. Wir haben alle Informationen, die wir brauchen. Wie die Behinderung von Sebastian Vettel gegen Carlos Sainz. Vettel fuhr mit 129 auf der Ideallinie, während Sainz mit weit über 200 daherkam. Das
war ganz klar ein Blockieren. Da gibt es keine Diskussionen.“
In der Formel 1 gilt mittlerweile ein spielraumloses Arbeiten, während in anderen Rennserien „doch eine gewisse Ermessensgrundlage vorkommt“, so Jobst. Selbst beim Strafmaß gibt es in der Formel 1 keinen Spielraum mehr, obwohl gewisse Urteile immer wieder hinterfragt werden, einmal zu streng, einmal zu milde. „Auch da sind wir völlig abgesichert. Wir haben allein von den letzten beiden Jahren ein Video-Datenvolumen von 40 Terrabyte, auf das wir zurückgreifen können. Und dafür haben wir einen Operator, der wie ein wandelndes Lexikon arbeitet, der sich fast an alles erinnern kann. Zumindest weiß er genau, wo er selbst ein „unsafe release“in der Box suchen muss“, staunt der Kärntner immer wieder über seinen Kollegen. „Bei der Beurteilung werden natürlich auch die Folgen immer mit einbezogen, wo manchmal fünf, manchmal zehn Strafsekunden vergeben werden.“Allein das sportliche Regulativ umfasst mehrere Hundert Seiten. „Das man zum Glück nicht auswendig kennen muss, aber wir müssen wissen, wo wir suchen müssen. Daher sind wir zu viert. Um das alles ein bisschen aufzuteilen.“
Anders als auf Fußballplätzen und Sporthallen sind die „Schiedsrichter“im Motorsport freilich nicht der breiten Masse ausgeliefert, auch gibt es während der Urteilsfindung keine Diskussionsmöglichkeiten, die sich selbst bei kleinsten Verstößen lange hinziehen können. „Es ist schon komisch, aber selbst Fahrer, die bestraft worden sind, bedanken sich oftmals hinterher. So gute Manieren haben die Profis mittlerweile“, erzählt Jobst mit einem gewissen Schmunzeln. Urteile werden immer den Teams – mündlich und schriftlich –mitgeteilt. Sie sind für alle zugänglich. Denn es kann auch jeder
Gegner eines bestraften Fahrers gegen ein Urteil berufen.
Natürlich hat ein Sportkommissar, der Zeit seines Lebens mit Motorsport und Rennfahrern zu tun hat, einen gewissen Einblick. Kann auch ganz gut abschätzen, wie die Zukunft von Nachwuchspiloten aussehen könnte. Oder wie es mit einer Rennserie weitergehen könnte. Stichwort DTM? „Ja, das ist schon ziemlich schwierig derzeit. Es muss ein neuer Hersteller her, unbedingt. Vielleicht geht‘s mit den Japanern.
Aus österreichischer Sicht hält Walter Jobst von Ferdinand Habsburg ganz große Stücke. „Er kann’s wirklich. Er hat das schon mehrfach bewiesen.“So soll auch die Europäische Formel-3-Meisterschaft aufgewertet werden. „Es gibt Verhandlungen mit Liberty Media, aus der Formel-3-EM eine Weltmeisterschaft zu machen, als Rahmenprogramm an den Formel-1-Wochenenden.“