„Ängste haben sich nicht bewahrheitet“
INTERVIEW. Flüchtlingskrise als Kulisse: In den syrischen Kriegswirren sucht Dietmar Bär als besorgter deutscher Familienvater nach seiner Tochter.
Ein Millionenpublikum kennt ihn aus dem Kölner „Tatort“: Dietmar Bär gehört als Kommissar Freddy Schenk zu den dienstältesten Ermittlern im deutschen Fernsehen. Nun ist der populäre Schauspieler in einer ganz anderen Rolle zu sehen: Im TVDrama „Für meine Tochter“(ZDF, 20.15 Uhr) verkörpert der 57-Jährige einen Witwer, dessen Teenager-Tochter sich als Flüchtlingshelferin engagiert und im syrisch-türkischen Grenzgebiet vermisst wird. Auf der Suche nach ihr lernt der Apotheker das Leid der syrischen Flüchtlinge aus nächster Nähe kennen.
Herr Bär, das Publikum kennt Sie als „Tatort“-Star, jetzt spielen Sie in einem TV-Drama mit, das die Flüchtlingsproblematik aufgreift …
DIETMAR BÄR: Der Film ist ein Familiendrama mit Migrationshintergrund. Ein Vater, der sich zur Flüchtlingsthematik genauso distanziert verhält wie vermutlich viele andere in Deutschland, muss ins türkischsyrische Grenzgebiet fahren, weil seine Tochter dort verschwunden ist. Sie ist aber keiner der radikalisierten Teenager, die in ein Trainingslager des IS gehen, sondern sie hilft den Angehörigen eines Syrers, der in Deutschland subsidiären Schutz genießt. Vor dem Hintergrund der deutschen Flüchtlingspolitik ist das alles sehr spannend.
Wie finden Sie es, dass Deutschland und die EU die Flüchtlingsströme reduzieren wollen?
Ich glaube gar nicht, dass man da irgendwas reduzieren kann, das ist ja kein Bachlauf, den man einfach umlenkt. Da kommen
Menschen in tiefster Not zu uns, und mit Blick auf unsere eigene Vergangenheit sollten wir Deutschen doch wissen, was es heißt, wenn man aus seiner Heimat fliehen muss. Ich sehe zwar auch die Probleme, vor denen die Fachleute aus dem Innenministerium und der Polizei warnen, ich habe da keine rosarote Brille auf. Aber wenn jemand zu uns kommt und um Schutz bittet, gibt es doch kein langes Überlegen, was zu tun ist. Wenn irgendjemand behauptet, dass es diesen Menschen nur darum geht, ein genauso schönes Auto zu fahren wie Sie und ich, ist das empörend.
Waren Sie 2015 auch angesteckt von der Willkommenskultur?
Ich bin zwar nicht mit dem Fähnchen auf dem Bahnsteig gestanden, aber ich hatte begrif-
fen, dass das funktionieren könnte, und es hat doch auch funktioniert. Wir haben jetzt 2018, und ich habe nicht das Gefühl, dass unser Land überfremdet ist – die Ängste vieler Menschen haben sich nicht bewahrheitet.
Der Familienvater, den Sie spielen, durchlebt im türkisch-syrischen Grenzgebiet eine Odyssee, die beinahe tödlich ausgeht. Wie strapaziös waren die Dreharbeiten?
Es war von vornherein klar, dass wir nicht in Syrien drehen würden, das wäre viel zu gefährlich für das ganze Team gewesen. Gedreht wurde in Marokko. Dort ist es sehr heiß, und es waren immer sehr lange Drehtage. Es war eine der anstrengendsten Arbeiten, die ich bis jetzt gemacht habe, und das hat natürlich auch etwas mit dem Thema des Films zu tun, auf das man sich einlassen musste. Da war man emotional in einer dauernden Ausnahmesituation. Also physisch wie psychisch war ich da ordentlich in der Mühle.
Hatten Sie beim Dreh auch Kontakt mit Flüchtlingen?
Im Film kommt eine syrische Flüchtlingsfamilie vor, die in einem Camp lebt, und diese Darsteller kommen tatsächlich aus Syrien und haben einen solchen Hintergrund. Zur Familie gehört ein kleiner Junge mit seiner Schwester, die alle miteinander eine monatelange Odyssee hinter sich haben. Die sind nicht als sogenannte Asyltouristen ins schöne Marrakesch gekommen.
Wie gefällt Ihnen der Sendeplatz von „Für meine Tochter“?
Ich bin beeindruckt von dem Mut, einen Film mit so einem Thema zu so einem Termin anzubieten. Das Fernsehpublikum ist ja daran gewöhnt, dass in dieser Zeit Konserven laufen, es erwartet gar keinen neuen Film. Aber wer weiß, vielleicht schießen die Quoten ja durch die Decke. Aber auch hier gilt für mich: Die Quote ist zweitrangig, wichtig ist die Frage, was die Menschen mit dem Film machen und ob sie am nächsten Tag über den Inhalt reden.