Polit-Talk.
INTERVIEW. Morgen starten die ORF-„Sommergespräche“mit einem Moderatorenduo: Hans Bürger und Nadja Bernhard über Phrasen, Rollenverteilung und ihre Pläne für den Polittalk.
Nadja Bernhard und Hans Bürger führen dieses Jahr die „Sommergespräche“im ORF.
Das Format ist nicht umzubringen. Seit 1981 werden – einst um das mediale Sommerloch zu stopfen – die Parteichefs zu ORF-„Sommergesprächen“geladen: ins Studio, zum Heurigen oder auf Almen. Heuer stellt wieder einmal ein Duo die Fragen: Innenpolitik-Chef Hans Bürger und ZiBAnchorwoman Nadja Bernhard.
Aus Polizeifilmen oder Krimis kennt man das Prinzip „good cop, bad cop“, wenn zwei Menschen eine Befragung durchführen. Planen Sie eine Rollenverteilung?
NADJA BERNHARD: Es wird keine Rollenverteilung geben. Es soll ein Gespräch werden und erst vor Ort entstehen. Wir haben einen Leitfaden, aber wir gehen das Ganze offen an, lassen uns fast treiben.
HANS BÜRGER: Wir haben uns am Anfang gefragt, ob wir eine Aufteilung machen: good cop, bad cop oder softere und stärkere Themen oder Innenpolitik und Internationales – in diesem Punkt wird man durch die außenpolitische Kompetenz Nadjas mehr über den Tellerrand schauen. Eigentlich wollen wir jedes Gespräch in vier Bereiche teilen: das Persönliche, die Innen-, die Europa- und die internationale Politik. Genau aufzuteilen, wer was fragt, geht nicht. Wir wollen die vollkommene Gleichberechtigung.
Wann wäre das Gespräch gut?
BÜRGER: Wenn die Zuschauer nach 22 Uhr mehr über den Parteichef, den Menschen und die Partei wissen als um 21.10 Uhr – schon einen ordentlichen Brocken mehr.
BERNHARD: Mich interessieren dabei nicht Hobbys oder Lieblingsspeisen, sondern wie der Mensch tickt. Davon kann man politische Visionen ableiten.
BÜRGER: Wir sind im Jahr der österreichischen Ratspräsidentschaft der EU. Ich hoffe schon, dass sich die Politik dazu einiges überlegt hat – und zwar nicht nur die Regierung, sondern auch die Opposition.
Was interessiert Sie an der EURatspräsidentschaft besonders?
BERNHARD: Meine Herzensangelegenheit sind die Pläne auf europäischer Ebene für den Umgang mit Klimaflüchtlingen. Grenzschließlungen und Abschottung können maximal eine kurzfristige Lösung sein. Es wäre ein gutes Zeichen, Migration nicht nur negativ, sondern auch positiv zu besetzen.
BÜRGER: Es ist die wahrscheinlich größte Krise der Europäischen Union, noch vor der Euro- und Finanzkrise. Und 2019 stehen die Europawahlen vor der Tür. Da kann es theoretisch sein, dass am Ende die Fraktion der nationalen Politiker die größte ist.
Mit Beate Meinl-Reisinger und Peter Pilz sind heuer zwei Personen geladen, die „Sommergespräch“-Premiere feiern. Reizvoll?
BÜRGER: Ich glaube, dass es heute nicht mehr so ist, dass man Politiker mit bestimmten Formaten überraschen kann. Es sei denn, sie müssen kochen oder sonst einen Blödsinn machen – was sie bei uns nicht müssen. Ein „Sommergespräch“ist keine investigative Sternstunde des Journalismus. Es ist ein Sommergespräch, was nicht heißt, dass es weich geführt werden muss, aber es hat nicht unbedingt eine Aufdeckerfunktion.
Es wird viel geredet, aber oft wenig gesagt. Die neue Regierung hat wieder einen Regierungssprecher. Ist die Phrasendrescherei schlimmer geworden?
BERNHARD: Das ist für uns Journalisten eine große Herausforderung, oder?
BÜRGER: Ja, aber es ist nicht neu. Ich muss leider wieder den guten, alten Bundeskanzler Klima hervorholen. Es ist jetzt ungefähr 19 Jahre her, dass er jede Frage gleich beantwortet hat. Wenn man zur völligen Authentizität zurückkehren will, müssen wir in die 1970/80er zurückgehen.
Frau Bernhard, Sie moderieren erstmals die „Sommergespräche“. Haben Sie sofort zugesagt?
BERNHARD: Ich habe sofort Ja gesagt. So ein Angebot kommt einem Ritterschlag gleich.
BÜRGER: Es ist überraschend, dauernd ist von einer Politikmüdigkeit die Rede, und dann schauen an einem heißen Sommermontag Hunderttausende ein politisches Gespräch an.
Wie kamen Sie auf die Weinschenke in der Wachau?
BÜRGER: Meine Frau und meine Schwiegermutter kommen aus Krems, an einem Sonntagnachmittag sind wir zu einem neuen Heurigen gefahren: mit Blick auf Dürnstein. Während ich dort sitze, sage ich zum Wirt: „Das wäre schön, da die ‚Sommergespräche‘ zu machen.“Es hat wochenlang gedauert, das Haus davon zu überzeugen. Dank des neuen Chefredakteurs Matthias Schrom konnte dann auch der Generaldirektor von der um eine Spur teureren Variante überzeugt werden.