Kleine Zeitung Kaernten

Der letzte Republikan­er

Nach dem Tod des Vietnamhel­den John McCain gibt es keinen ernsthafte­n Gegenspiel­er zu Trump mehr in seiner Partei. Auf der Beerdigung ist der Präsident unerwünsch­t.

- Von unserem Korrespond­enten Karl Doemens aus den USA

Wenige Stunden nachdem seine Familie den Abbruch der Chemothera­pie bekannt gegeben hatte, stellte jemand das Video ins Internet. Es zeigt den damaligen Präsidents­chaftskand­idaten bei einer Kundgebung. „Ich kann Obama nicht trauen“, meldet sich eine republikan­ische Anhängerin zu Wort: „Ich habe über ihn gelesen und er ist nicht … hm ... Er ist ein Araber.“Da greift John McCain das Mikrofon, schüttelt den Kopf und sagt: „Nein, meine Dame. Er ist ein ehrenwerte­r Familienma­nn und ein Bürger, mit dem ich in zentralen Fragen nicht übereinsti­mme. Darum geht es in der Kampagne. Er ist kein Araber.“

Zehn Jahre

liegt die Szene nun zurück. Doch innerhalb kürzester Zeit wurde der 30-sekündige Clip Hunderttau­sende Mal geteilt. Als der 81-jährige Senator am Samstagnac­hmittag auf seiner Ranch in Arizona dem aggressive­n Tumor erlag, der seit einem Jahr in seinem Kopf wütete, war er nicht nur im Netz längst zum Idol und Helden geworden. „Ein Löwe ist von uns gegangen“, klagte die republikan­ische Senatorin Susan Collins. So empfinden es sehr viele Menschen in den USA.

Heroischer Kriegsvete­ran, Folteropfe­r des Vietcongs, zweimalige­r Präsidents­chaftskand­idat – die bemerkensw­erte Lebensgesc­hichte des konserTrum­p vativen Admiralsso­hns gibt genug her, um ihn zu einer Legende zu machen. Doch wirklich verständli­ch ist das bedrückend­e kollektive Verlustgef­ühl, das nun die Amerikaner befällt, nur aus dem scharfen Kontrast eines Menschen, der von Charakter, Prinzipien und Selbstdisz­iplin geprägt war, mit dem derzeitige­n Amtsinhabe­r im Weißen Haus, der den in Gefangensc­haft gefolterte­n Marinepilo- ten nicht als Kriegsheld­en bezeichnen wollte. „Ich mag Leute, die nicht gefangen werden, okay?“, sagte Donald Trump.

Es ist noch

gar nicht so lange her, da galt McCain als rechter Hardliner und Relikt des Kalten Krieges. Doch als Vertreter des traditione­llen Parteiflüg­els stand er stets für demokratis­che Werte, freien Handel und liberale Einwanderu­ngsgesetze, die offen bekämpft. Seine Autobiogra­fie, die McCain im Frühjahr schon sterbenskr­ank veröffentl­ichte, macht den Kontrast überdeutli­ch: „Er scheint nicht interessie­rt am moralische­n Charakter von Führern und ihren Regierunge­n“, schrieb der Senator da über den aktuellen Präsidente­n: „Der Anschein von Härte scheint ihm mehr als Werte zu bedeuten. Schmeichel­n sichert seine Freundscha­ft, Kritik seine Feindschaf­t.“Als Trump in seiner Amtseinfüh­rungsrede die Presse als „Feind des Volkes“diffamiert­e, kommentier­te McCain: „So fangen Diktaturen

an.“Im Juli des vorigen Jahres stimmte er dann im Senat gegen die Gesundheit­sreform des Präsidente­n. Spätestens damit war die Feindschaf­t zwischen den beiden Politikern besiegelt.

Mit McCains Tod verlieren die Republikan­er den prominente­sten und angesehens­ten Kritiker des Präsidente­n. Mittelfris­tig wird das Regieren für Trump leichter. Weil die Wahlgesetz­e von Arizona eine kurzfristi­ge Neu-Nominierun­g nicht vorsehen, entscheide­n nicht die Wähler über ihren neuen Vertreter in Washington. Vielmehr wird der Senator bis 2020 vom Gouverneur ernannt, der bis- lang wenig Neigung zur Konfrontat­ion mit Trump zeigte.

Der Leichnam von John McCain soll nun im Washington­er Kapitol aufgebahrt werden – eine Ehre, die nur wenigen Senatoren zuteil wird. Die offizielle Trauerfeie­r soll in der National Cathedral stattfinde­n, bevor McCain in Annapolis beigesetzt wird. Der Vietnamvet­eran hat seinen Abschied genau geplant. Die Trauerrede­n sollen die Ex-Präsidente­n Bush und Obama halten, denen er in den Präsidents­chaftswahl­kämpfen unterlag. Trump hingegen, hatte der Todkranke erklärt, sei an seinem Grab nicht erwünscht.

 ??  ??
 ??  ??
 ?? AFP ?? Kriegsvete­ran, zweimalige­r Präsidents­chaftskand­idat und TrumpKriti­ker: John McCain erlag seinem Krebsleide­n
AFP Kriegsvete­ran, zweimalige­r Präsidents­chaftskand­idat und TrumpKriti­ker: John McCain erlag seinem Krebsleide­n

Newspapers in German

Newspapers from Austria