Weißer Voodoo und Manifeste
Mit 40 Konzerten hat man sich der Frage der Stilgrenzen entledigt.
Pünktlich zu Festivalbeginn war der Sommer zu Ende. Doch schon seit Monaten sind die beliebten Short Cuts auf der Bühne der Entdeckungen ausverkauft. Die finnischdeutsche Band Kuu! rund um die charismatische Sängerin Jelena Kuljic´ hat dort mit knackigem Electrodance und komplexem Postjazzpunk den nachhaltigsten Eindruck hinterlassen. Innovativ und erfrischend gleichermaßen.
Schon lange stellt in Saalfelden niemand mehr die Frage nach Stilgrenzen oder einer Jazz-Kausalität. Das mag im Zeichen internationaler Trends stehen, birgt aber auch die Gefahr, dass man gelegentlich programmatisch absäuft. Wie etwa mit Ulrich Drechslers Ensemble. Die Auftragskomposition „Liminal Zone“balancierte am Terrain eines bedeutungsschwangeren weißen Voodoo auf harmonisch dünner Suppe am Rande des Kitsches.
Andererseits lieferte just eine österreichische Band den ersten Höhepunkt des viertägigen Festivals. Shake Stew, wohl die Band der Stunde in der heimischen Szene, brachte Hochstimmung in das von den kryptischen „Chansons du Crépuscule“aus der Feder von Hélène Breschand und Elliott Sharp schon müde Publikum. Zusammen mit dem bissigen Tenorsaxofon von Shootingstar Shabaka Hutchings hatte der gut geschüttelte Eintopf aus Wien vornehmlich am Fundament von Afrogrooves und Guembri-Ostinati seine größten Momente im wilden Bläser-Interplay.
Das mit Spannung erwartete Oktett der US-Flötistin Nicole Mitchell zeigte sich eingangs ihres suitenförmigen Opus „Mandorla Awakening II“mit seinen bunten kaleidoskopischen Klangbildern dem frühen Art Ensemble of Chicago wie aus dem Konzept geschnitten. Bis der mit schillerndem Gospel-Nimbus ausgestattete, expressive Sänger Avery Young auf rollender Polyrhythmik herzhaft aus der Schule der Black-Power-Bewegung hören ließ. Nicht ohne Ironie, nicht ohne Message. Riesenjubel für ein politisches Manifest.