Söders Talfahrt im bayerischen Alpenland
Im März gab es den großen Putsch in der CSU gegen Horst Seehofer. Seither macht Markus Söder Dauerwahlkampf. Am 14. Oktober geht es für den Ministerpräsidenten um alles. Es droht der Verlust der absoluten Mehrheit.
Die letzte Augustwoche hat für Markus Söder mit einer Atempause begonnen. Der bayerische Ministerpräsident durfte einen großen Sohn des Freistaates für dessen Verdienste ehren. Fußballer Bastian Schweinsteiger erhielt im Vorfeld seines Abschiedsspiels beim FC Bayern München den Verdienstorden des Landes. Söder nannte ihn eine „lebende Legende“und sagte: „Sie sind Bayern.“Mehr geht nicht von einem, von dem man annehmen muss, dass er sich als das eigentliche Bayern sieht.
Schnell schießen einem die Bilder in den Sinn, die Söder von sich in den sozialen Medien preisgibt. Söder in Herrscherpose vor dem Märchenschloss Neuschwanstein, Söder als Prinzregent Luitpold bei der Fastnacht in Veitshöchheim in seiner fränkischen Heimat und Söder als Märchenkönig Ludwig II. beim Orden Wider den tierischen Ernst. Der Nürnberger ist sich, wenn es um die Selbstinszenierung geht, für nichts zu schade. Auf vielen Fotos der „Fastnacht in Franken“steht übrigens Horst Seehofer neben ihm – der ehemalige Landesvater tritt im Gegensatz zu seinem Nachfolger dort immer im Anzug auf, allenfalls die Krawatte leuchtet poppig zum gediegenen Schwarz. Schon an diesem Kontrast lässt sich eini- ges über das unterschiedliche Amtsverständnis erkennen.
Wäre es nur das Äußere, würde es am 14. Oktober bei der Landtagswahl nicht darum gehen, am Selbstverständnis der Christsozialen zu rütteln. Die Partei ist ein politischer Sonderfall in der Bundesrepublik, der sich einerseits aus der wirtschaftlichen Stärke Bayerns ableitet, aber auch aus der jahrzehntelangen Macht in München. Söder lässt mit seinem Kurs sogar eingefleischte CSUAnhänger genervt die Augen verdrehen. Auch Seehofer war immer umstritten, an seiner politischen Schlagkraft innerhalb der Union mit der Schwesterpartei CDU um ihre Chefin Angela Merkel und im bundespolitischen Gesamtgefüge zweifelte aber kaum jemand – trotz seinem Querulantentum. Söder gelingt dieser Spagat nicht. Die CSU befindet sich in einem historischen Umfragetief, macht in Berlin keinen Stich und Söder ist zudem der aktuell unbeliebteste Ministerpräsident aller deutschen Bundesländer. Dabei wurden freilich nur die eigenen Landeskinder befragt.
Söder wäre
aber nicht Söder, würde er die Schuld für die Misere nicht auch bei anderen suchen. Es gebe anders als 2013 zu wenig Rückenwind aus Berlin, monierte er. Damit ist einerseits Horst Seehofer gemeint, der als CSU-Chef sowie Bundesinnen-
mit seiner Rücktrittsdrohung der eigenen Partei geschadet habe. Die schlechten Werte seien „überwiegend geprägt von Berliner Entscheidungen“. Damit spricht er aber auch Kanzlerin Merkel direkt an. Söder wünscht sich mehr Zusammenarbeit in der Union.
Ob diese Weiterleitung der Verantwortung gelingt, ist noch offen. Denn Söder hat mit seinen abrupten Kurswechseln in maßgeblichen Themenfeldern die Spaltung im Land und sogar in der Partei ausgelöst. Nur ein Drittel der Bayern ist laut Umfrage mit der Arbeit des jüngsten bayerischen Ministerpräsidenten aller Zeiten zufrieden.
Die landeseigene Grenzpolizei, die zwar Bundesbeamte unterstützen kann, aber keine eigenen Entscheidungen treffen darf, hat selbst ehemalige Grenzbeamte irritiert. Spott bekam er für die Rückkehr von polizeilichen Reiterstaffeln in Großstädten. Er nennt sie vollmundig „Kavallerie“. Noch kurioser ist sein unbemanntes Raumfahrtprogramm „Bavaria One“. Der Chef der ehemaligen
der Freien Wähler Hubert Aiwanger hätte Söder für diese Idee gerne „auf den Mond“geschossen.
Ebenso schräg mutet der CSU-Vorschlag in München an, beim Umbau des Hauptbahnhofs auf Parkplätze für Flugtaxis zu achten. Die CSU-Staatsministerin für digitale Agenden im Kanzleramt, Dorothea Baer, hatte sich bei ihrem ersten Interview den Spott der gesamten Republik zugezogen, als sie „die großen Dinge in Angriff nehminister
men“wollte und dafür Flugtaxis vorschlug. In München hat die CSU noch eine Spur mehr Humor. Söder will Bayern sogar zur Flugtaxihochburg machen.
Neben den hochfliegenden
Plänen verprellte Söder aber vor allem mit seinen scharfmachenden Worten in der Asylpolitik Bayerns Oppositionsparteien, mit denen er nach dem 14. Oktober eine Koalition finden muss, und auch einen Teil seiner Wählerschaft. Daraufhin deCSU-Abspaltung monstrierten Zehntausende Menschen in München im Juli gegen die Flüchtlingspolitik Söders. Laut Wählertrend des Bayerischen Rundfunks wendeten sich vor allem Großstädter, ältere Wähler und Frauen von der CSU ab. Söder weiß, dass er polarisiert. Er macht es, um die AfD zu bekämpfen, getreu dem Motto von Franz Josef Strauß: Rechts neben der CSU ist nur mehr die Wand.
Dass Seehofer im Falle einer krachenden Niederlage seinen Posten räumen muss, gilt in Parteikreisen als ausgemacht, aber auch Söder dürfte einen Tiefschlag nicht überleben. So wie auch Erwin Huber und Günther Beckstein nach dem Ende der Alleinherrschaft 2008 gehen mussten. Ob Alexander Dobrindt und Andreas Scheuer als ehemalige CSU-Generalsekretäre davon profitieren können, wird hinter vorgehaltener Hand bezweifelt. Es könnte dann auf Ilse Aigner hinauslaufen. Sie scheute den Machtkampf gegen Söder, war Seehofers Wunschkandidatin und könnte nun in der Krise zum Zuge kommen.