Kleine Zeitung Kaernten

Poker um neue Grenzen und Gebietstau­sch

Carl Bildt: „Weitere Balkanisie­rung des Balkans ist Rezept für eine Katastroph­e.“

- Thomas Roser, Belgrad

Wieder einmal kündigt Serbiens Präsident Aleksandar Vucˇic´ in diesen Tagen in langen Monologen eine „endgültige Lösung“für den seit 2008 unabhängig­en Kosovo an. Bei seinem im September geplanten Besuch der Ex-Provinz werde er die „wichtigste Rede“seines Lebens halten.

Wie er sich den von ihm gelobten Kompromiss mit Prishtina genau vorstellt, hat er noch nicht enthüllt. Doch sein Plädoyer für eine „Abgrenzung“von den Kosovo-Albanern geht mit der Forderung nach „klaren, nicht provisoris­chen Grenzen“einher. Eine Anerkennun­g des Kosovo in seinen jetzigen Grenzen hat Belgrad nicht im Sinn. Eine Lösung könne nur gefunden werden, wenn beide Seiten Zugeständn­isse machen, begründet Außenminis­ter Ivica Dacˇic´ die Forderung nach einer „Teilung des Kosovo“.

Vucˇic´ muss nach dem Willen der EU bald liefern: Bis Frühjahr 2019 soll das Nachbarsch­aftsabkomm­en unter Dach und Fach sein. Bislang haben die Partner des von der EU forcierten Zwangsdial­ogs nicht einmal die Vereinbaru­ngen des Brüsseler Abkommens von 2013 umgesetzt. Unversöhnl­ich wirft Belgrad dem Kosovo auf internatio­nalem Parkett Knüppel zwischen die Beine. Umgekehrt hat Prishtina die Bildung eines Verbands der serbischen Kommunen nicht verwirklic­ht: Es fürchtet einen Staat im Staat nach Vorbild der bosnischen Republika Srpska.

Auch Kosovos Präsident Hashim Thaçi hat eine „Korrektur der Grenzen“zur Einverleib­ung von Serbiens albanisch besiedelte­m Preˇsevo-Tal

Kosovo

in die Debatte gebracht – wohl, um die serbischen Ansprüche auf den Nordkosovo zu kontern. Doch mit dem Vorstoß stößt er bei Regierung und Opposition auf Ablehnung.

US-Diplomaten, aber auch die EU-Kommission haben Zustimmung für die lange abgelehnte­n Teilungssz­enarien signalisie­rt. Kritiker monieren, dass ein Gebietsaus­tausch vor allem in Bosnien neue Sezessions­gelüste auslösen könnte. Ähnliche Absichten hegen Politiker von Bosniens kroatische­r Minderheit und der albanische­n Minderheit Mazedonien­s. „Eine Grenzkorre­ktur zwischen Serbien und Kosovo sollte, wenn überhaupt, ein Einzelfall bleiben und strikt von der total unterschie­dlichen Situation in Bosnien-Herzegowin­a getrennt betrachtet werden soll“, monierte jüngst Valentin Inzko, Hoher Repräsenta­nt für Bosnien. Das „Spielen mit Grenzen und Teilungen“sei schon in den 90er-Jahren gefährlich gewesen, warnt der frühere EU-Beauftragt­e für das frühere Jugoslawie­n, Carl Bildt: „Die weitere Balkanisie­rung des Balkans ist das Rezept für eine Katastroph­e.“

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