Wenn der Zeit die Stunde schlägt
Sommerzeit oder Normalzeit? Der Wechsel hat ein Ende, Europa muss sich für das eine oder andere entscheiden. Wird der Vorschlag von EU-Kommissionspräsident Jean-Claude Juncker angenommen, können sich die EU-Länder bald aussuchen, ob sie für immer Sommerz
Auch für die EU-Kommission war es nur eine Frage der Zeit: Kommissionspräsident Jean-Claude Juncker gab gestern zu Beginn einer zweitägigen Klausur bekannt, dass nun ein Gesetzesvorschlag ausgearbeitet wird, der das Ende der zweimal jährlich erfolgenden Umstellung zwischen Sommer- und Winterzeit besiegelt. Dem Vorschlag müssen noch das Europaparlament – von dort kam im Februar der Anstoß dazu – und die Mitgliedsstaaten zustimmen, dann ist die ursprünglich 1973 in der Hoffnung auf Energiespar-Effekte eingeführte Regelung Geschichte.
Juncker sagte: „Die Menschen wollen das, wir machen das“, und spielte damit auf die im Sommer durchgeführte Bürgerbefragung an, die ein eindeutiges Ergebnis gebracht hatte. Auch Verkehrskommissarin Violeta Bulc verwies darauf: „Das Ergebnis ist sehr klar.“Wie berichtet, hatten sich 4,6 Millionen Menschen beteiligt, 84 Prozent davon waren für ein Ende der Umstellung. Doch obwohl die Kommission nun ständig argumentiert, dass es sich dabei um kein Referendum gehandelt hat, musste sie sich gestern viele kritische Fragen gefallen lassen. Denn zum einen ist die Beteiligung an der Umfrage zwar relativ hoch, tatsächlich entspricht sie aber nur 0,89 Prozent der EU-Gesamtbevölkerung. Wie die restlichen 99,1 Prozent denken, ist also unklar.
Zum anderen haben sich hauptsächlich zwei Länder – Deutschland und Österreich – stark beteiligt, was, so der Vorwurf, zu einer Verfälschung der Ergebnisse führe. Von den 4,6 Millionen Teilnehmern stammten allein drei Millionen aus Deutschland, rund 250.000 aus Österreich. In Frankreich lag die Beteiligung bei 0,55 Prozent der Gesamtbevölkerung, in Italien bei bloß 0,04 Prozent und den Briten war das Thema auch nicht wichtig – 0,02 Prozent.
Schon im Vorfeld hatten Vertreter der ÖVP, SPÖ, FPÖ und Grünen ein Ende der Umstellung begrüßt, die österreichische Bundesregierung schloss sich dem nun an. Wirtschaftsministerin Margarete Schramböck
(ÖVP) und Verkehrsminister
Norbert Hofer (FPÖ), die sich gerade in Hongkong befinden, begrüßten den Schritt. Sie traten dafür ein, dass in Österreich in Zukunft dauerhaft die jetzige Sommerzeit gelten sollte – und sprachen damit gleich ein Thema an, das Europa wohl noch einige Zeit beschäftigen wird. Denn die Kommission verwies auf die oft beschworene Subsidiarität: Nach Beendigung der Umstellung kann sich jedes Mitgliedsland selbst aussuchen, ob es nun dauerhaft Sommer- oder Winterzeit haben will. Zu den derzeit drei europäischen Zeitzonen, die zumindest geografisch nachvollziehbar sind, könnten damit chaotische Zeiten in den einzelnen Staaten kommen. Hier kann es durchaus unterschiedliche Interessen zwischen nördlichen und südlichen, östlichen und westlichen Ländern geben – und wo würden dann selbst bei nachbarschaftlichem Einvernehmen die Grenzen gezogen? Je weiter im Westen, desto eher würde wohl die Winterzeit interessant sein, in Deutschland spricht sich eine Mehrheit für die Sommerzeit aus, in Österreich allerdings derzeit nur 36 Prozent.
Minister Hofer möchte das Thema schon beim nächsten informellen Verkehrsministerrat ansprechen. Für das Frühjahr 2019 wird sich eine Umsetzung jedoch noch nicht ausgehen.