„Mit Gießkanne Geld verschüttet“
INTERVIEW. Umweltministerin Elisabeth Köstinger (ÖVP) hat diese Woche ihre Babypause beendet. Ein Gespräch über den Dürresommer, Klimaziele und Freihandel.
Während Ihrer Babypause hat enorme Dürre bei vielen die Sorge über den Klimawandel verstärkt. Wie haben Sie das erlebt?
ELISABETH KÖSTINGER: Ähnlich. Wir haben, unabhängig vom heurigen Sommer, bereits in den Regierungsverhandlungen Klimaschutz als eine unserer Prioritäten auserkoren. Wir haben uns deswegen massiv Druck gemacht, schon im ersten Halbjahr der Koalition die Klima- und Energiestrategie 2030 auf den Weg zu bringen.
Die Dürre zwingt uns, Getreide zu importieren. Kann sich Österreich des Klimawandels wegen nicht mehr selbst versorgen?
Die Märkte werden auf jeden Fall volatiler werden. Die Bauern kommen dadurch existenziell massiv unter Druck: Logisch wäre, dass man Ausfälle in einem Jahr in einem guten Jahr wieder ausgleicht – nur führt ein gutes Jahr oft dazu, dass die Preise in den Keller gehen, weil alle eine gute Ernte haben und das Angebot groß ist. Auch wenn man die Versorgung durch Importe ausgleichen kann: Das geht immer zulasten unserer Landwirte.
Wäre da ein staatliches Versicherungsmodell eine Option?
Genau, und das ist mir wirklich ein Anliegen. Wir haben in der Vergangenheit viel zu oft mit der Gießkanne Gelder ausgeschüttet. Wir haben schon vor dem Sommer die Steuer auf Versicherungsprämien von 11 auf 0,02 Prozent gesenkt, damit die Bauern nicht davon abhängig sind, ob der Staat da einspringt. Wir müssen mehr in die Vorsorge, damit wir weniger Nachsorge brauchen. Deswegen bezuschussen Bund und Länder Elementarrisiko-Versicherungen für Landwirte mit 60 Millionen Euro pro Jahr.
Wenn das Wetter volatiler wird, werden auch die Prämien steigen. Wir diskutieren auf EU-Ebene über die gemeinsame Agrarpolitik. Ein Modell zur Risikoversicherung muss man sich in diesem Rahmen überlegen.
Wäre eine Art Pflichtwetterversicherung möglich, analog zu den Sozialversicherungsmodellen? Das kann man sich überlegen. Wir haben jetzt einmal den Fokus darauf gelegt, einen einheitlichen, niedrigeren Steuersatz auf Prämien einzuführen.
Klimakommissar Cañete schlägt vor, die EU-Klimaziele ambitionierter zu gestalten. Statt 40 Prozent der Treibhausgase bis 2030 einzusparen, will er 45. Bei der Klimastrategie ist man noch von 40 Prozent ausgegangen. Sind Sie bereit, nachzuschärfen?
Als Vorsitzland werden wir auf die einzelnen Mitgliedsstaaten zugehen und abklären, inwieweit es ein gemeinsames Bekenntnis dazu geben kann. Wir sehen halt, dass sich Europa in sehr unterschiedlichen Geschwindigkeiten bewegt, was das Engagement zum Klimaschutz betrifft.
Das ist die EU-Perspektive. Sind Sie auf nationaler Ebene bereit, noch einmal nachzuschärfen? Wir haben, was die Stromproduktion betrifft, das große Ziel, hundert Prozent aus Erneuerbaren zu produzieren. Wenn
wir die Maßnahmen aus unserer Klimastrategie bis 2030 erreichen und das große Ziel der Dekarbonisierung 2050, dann sind wir sehr gut auf dem Weg.
Aber für Österreich diese Latte aufgrund des Kommissionsvorschlages noch einmal höher zu legen, kommt nicht infrage?
Das ist derzeit nicht in Diskussion. Es war ein Vorschlag des Kommissars, wir werden alles tun, um unsere Ziele zu erreichen. Was dann noch mehr und besser gelingt, ist großartig.
Schnell umsetzen ließe sich eine nationale CO2-Steuer. Viele Experten sagen, das wäre ein Weg, den Ausstoß der Emissionen noch schneller einzudämmen. Wir sind gerade dabei, für die für 2020 geplante Steuerreform alle möglichen Modelle zu überlegen und zu rechnen. Das ist auch Teil der Klimastrategie. Im Zuge der Steuerreform kann es auch zu Maßnahmen kommen, die ökologisch relevant sind. Im Grunde wird aber diese Steuerreform das große Ziel haben, die Bürger zu entlasten und die Abgabenquote in Österreich maßgeblich zu senken.
Das heißt, eine CO -Steuer könnte enthalten sein?
Es wird ein Gesamtpaket sein. Wir werden jetzt nicht auf irgendwelche Einzelmaßnahmen fokussieren, die Steuerreform wird aus einem Guss sein, abgestimmt mit allen Ressorts, mit unterschiedlichen Prioritäten.
Ein komplettes Nein zur CO2Steuer höre ich da nicht heraus. Nein, ökologische Komponenten werden jedenfalls Platz haben. Aber das große Ziel ist, die Menschen zu entlasten und nicht zu belasten.
Die EU ist gerade im letzten Verhandlungsstadium des Mercosur-Freihandelsabkommens mit Argentinien, Brasilien, Paraguay und Uruguay. Wie sehen Sie das? Der Agrarbereich ist dabei besonders kritisch zu sehen.
Mit den Rinderimporten ...
Auch Zucker und Ethanol, aber Fleisch ist das große Thema. Da haben wir eine klare Haltung dazu, dass der Abschluss des Abkommens nicht auf dem Rücken der europäischen oder auch der österreichischen Landwirtschaft passieren darf.
Glauben Sie, dass sich das noch in dieser Kommissionsperiode ausgehen wird?
Ich war fast neun Jahre im EUParlament und habe das Abkommen mehrmals kommen und gehen sehen. Ich glaube nicht wirklich, dass es zu einem Abschluss kommt.
Überhaupt nicht?
Es gibt auch innerhalb der Mercosur-Staaten Divergenzen. Wir warten das einmal ab – wir haben unsere Position, die, vor allem was Rinder- und Zuckerimport betrifft, immer sehr kritisch ausfällt.
Es klingt fast so, als ob Sie hoffen, dass sich diese Staaten nicht einig werden.
Ja. Aber auch im Wissen, dass das jetzt schon so viele Jahre läuft, das insgesamt schon 12. Jahr, da glaube ich, wir sind als Europäische Union gut beraten, da nicht auf Kosten der Landwirtschaft nachzugeben.