„Wir können bis ins Alter geistig fit bleiben“
Warum der geistige Abbau im Alter nicht unausweichlich ist, auf welchen Wegen Sie Ihr Gehirn fit halten können und warum es nie zu früh, aber auch nie zu spät ist, um damit anzufangen.
1 Unser Gedächtnis wird im Alter schlechter: Ist das ein unausweichlicher Prozess oder können wir daran etwas verändern?
ANTWORT: „Tatsächlich ist es so, dass wir ab dem 50. Lebensjahr jährlich etwa 0,4 Prozent Gehirnvolumen verlieren“, sagt Christian Enzinger, Neurologe an der Med Uni Graz. Doch dieser Abbau von Nervengewebe könne vom Gehirn gut ausgeglichen werden, sagt Enzinger – erst ab dem 75. bis 80. Lebensjahr würden die Gehirnfunktionen abnehmen. Dann sei es vor allem das sogenannte fluide Gedächtnis, das leidet – „das ist alles, was schnell gehen muss, Multitasking oder schnelle Entscheidungsprozesse“, erklärt Enzinger. Doch während die schnelle Verarbeitung leidet, bleibt die Langzeiterfahrung jedoch erhalten.
2 Welches Krankheitsgeschehen führt zur Demenz?
ANTWORT: Die häufigste Form der Demenz ist Alzheimer: Ablagerungen im Gehirn führen dazu, dass Nervenzellen zugrunde gehen und die Kommunikation zwischen den Zellen nicht mehr funktioniert. Neben dieser Form gibt es aber auch die sogenannte vaskuläre Demenz, die 10 bis 20 Prozent der Demenzpatienten betrifft. „Dabei kommt es zu Veränderungen in den Gefäßen, die das Gehirn versorgen, die Durchblutung im Gehirn leidet.“Laut Enzinger seien meist diese Formen der Demenz gemeint, wenn umgangssprachlich vom „Verkalken“im Alter die Rede ist. Die Risikofaktoren: Bluthochdruck, erhöhte Blutfette, Gefäßerkrankungen. „Doch abgesehen von diesen krankhaften Prozessen kann man geistig fit altern“, sagt Enzinger.
3 Wenn ich genetisch vorbelastet bin, habe ich dann überhaupt eine Chance, geistig fit zu bleiben?
ANTWORT: Unser Gehirn besteht aus 100 Milliarden – ausgeschrieben: 100.000.000.000 – Nervenzellen, die über 100 Billionen Verknüpfungen miteinander kommunizieren. „Durch Training können wir das erzeugen, was wir eine kognitive Reserve nennen“, sagt
Abgesehen von den krankhaften
Prozessen der Demenz ist es sehr gut möglich, geistig
fit zu altern.
Christian Enzinger,
Neurologe
Enzinger. Das bedeutet: Wenn wir unser Denkorgan pflegen, schaffen wir einen Schutzpuffer, der uns beim einsetzenden geistigen Abbau auffängt. Eine bahnbrechende Studie aus Finnland habe nämlich gezeigt: Selbst wenn schon Frühformen einer Demenzerkrankung vorhanden sind, kann man mit gezielten Methoden dagegen arbeiten und die geistigen Fähigkeiten sogar noch steigern. „Das zeigt, wir können die geistige Gesundheit selbst in die Hand nehmen.“
4 Was braucht unser Gehirn, um fit zu bleiben?
ANTWORT: Wie auch die finnische Studie gezeigt hat, sind es laut Enzinger fünf Säulen, auf denen die geistige Fitness auf- baut. Erstens, lebenslanges Lernen: Eine Fremdsprache zu lernen oder ein Instrument zu spielen, gehört zu den komplexesten Tätigkeiten, mit denen wir unser Gehirn dazu anregen können, neue Nervenverbindungen aufzubauen. Aber auch Brettspiele wie Schach oder spezielle Gedächtnistrainings füttern das Gehirn – ebenso, wie die lebenslange Neugierde darauf, Neues zu verstehen. Die zweite Säule ist die körperliche Bewegung: Damit werden nicht nur die koordinativen Fähigkeiten erhalten – Stichwort Tanzen –, Ausdauersport fördert auch die Gesundheit der Gefäße. Wer sich noch dazu (3) gesund ernährt, (4) Gifte wie Alkohol und Nikotin meidet und sein (5) soziales Netzwerk pflegt, hat alle fünf Säulen für die geistige Fitness gebaut.
5 In welchem Alter sollte man beginnen, sich geistig fit zu halten?
ANTWORT: Laut Enzinger ist es nie zu früh, aber auch nie zu spät, etwas für die geistige Fitness zu tun. „Wesentlich sind aber nach heutigem Wissensstand die mittleren Lebensjahre“, sagt Enzinger. Wer in den Jahren zwischen 30 und 50 gut mit sich selbst umgeht und auf alle fünf Säulen baut, schafft die besten Voraussetzungen, um bis ins hohe Alter fit im Kopf zu bleiben. Wer das allerdings nicht tut, verspielt in diesen Lebensjahren wertvolle Reserven, die einem im Alter fehlen können. Was Sie noch wissen müssen, um Ihr Gedächtnis zu fördern, erfahren Sie beim Gesundheitsfrühstück.