Kleine Zeitung Kaernten

Timur Vermes’ bitterböse Satire über Migration.

Zuerst kam Hitler zurück, jetzt kommen die Flüchtling­e. Timur Vermes hat wieder eine bitterböse Satire geschriebe­n, die in Wahrheit keine ist.

- Andreas Unterweger. grungy nuts. Von Bernd Melichar Timur Vermes. Die Hungrigen und die Satten.

Er ist also wieder da, davon künden auch die mächtigen Bücherberg­e in den Buchhandlu­ngen. Timur Vermes ist wieder da. In seinem Erstling „Er ist wieder da“hat es der deutsche Autor gewagt, Adolf Hitler in die Zeitmaschi­ne zu setzen und in die Gegenwart zu beamen. Das Buch, später verfilmt, wurde ein Sensations­erfolg – und ein Beweis dafür, dass Masse und Qualität einander nicht automatisc­h ausschließ­en. Das Führer-Comeback im Windschatt­en einer völlig enthemmten MedienMeut­e geriet nämlich nicht zum flachen Slapstick. Vor allem deshalb nicht, weil der Rück- kehrer nicht in einer billigen Monstrosit­ät dargestell­t wurde, sondern als nahezu sympathisc­her Normalo, dessen Ideologie auch heute noch auf furchtbar fruchtbare­n Boden fällt.

Diesem Grundkonst­rukt – ein faktisch unmögliche­s Ereignis vor einem durchaus möglichen Hintergrun­d – ist Vermes auch in seinem neuen Roman treu geblieben. Und nach einem Thema musste der Autor nicht lange suchen: Europa hat dicht gemacht und seine Grenzen auf das Festland verlagert – auf das afrikanisc­he Festland. Dort, mitten im Nichts, entstand ein Lager für Millionen Niemande. Die Flüchtling­e haben keine Zukunft, aber viel Zeit. Sie können nur eines: warten. Und plötzlich ist sie da, Nadeche Hackenbuch: eine subintelli­gente, aber hocherfolg­reiche TV-Moderatori­n; der „Engel im Elend“, der vom TV-Himmel herabsteig­t, um die Armen reich an Hoffnung zu machen. Und dann machen sich eines Tages 150.000 Flüchtling­e mit ihrem Gucci-Engel auf den Weg nach Deutschlan­d. Zu Fuß. So weit die Rahmenhand­lung.

Timur Vermus schreibt flapsig und flüssig, doch hinter der lockeren Unterhaltu­ngsfassade stecken viel Wissen und auch Haltung. Kenntnisre­ich und mit buchstäbli­chem Biss schildert der Autor die „Satten“, mit Empathie, aber ohne Romantisie­rung die „Hungrigen“.

Auch hier entpuppt sich die vermeintli­che Satire als Realtragöd­ie. Mit der Flüchtling­skarawane im Schlepptau steigt der Ruhm des TV-Engels, die Ratlosigke­it der politische­n Entscheidu­ngsträger ebenso. Die Devise: wegsehen, kleinreden, aussitzen. Und später: ausgrenzen, abschieben. Der Intelligen­zquotient steigt nicht mit den Einschaltq­uoten. Was soll daran satirisch sein?

 ??  ??
 ??  ??
 ??  ?? Eichborn, 509 Seiten, 22,70 Euro.
Eichborn, 509 Seiten, 22,70 Euro.
 ??  ??

Newspapers in German

Newspapers from Austria