Bannspruchüber Woody Allen
Woody Allens jüngster Film „A Rainy Day in New York“wird eventuell nie die Leinwand sehen. Der Vertriebsrechteinhaber Amazon hat den Start auf unbestimmte Zeit verschoben – wohl auf öffentlichen Druck im Kontext der Missbrauchsvorwürfe, die Allens Tochter Dylan Farrow gegen ihren Vater erhebt. Allen, der die Vorwürfe stets bestritten hat, wurde 1992 vor Gericht entlastet. Aber Farrows wiederholter Anklage wird dank #MeToo neues Gewicht beigemessen. Die Folge: Schauspieler, die sich früher anstellten, um für Mindestlohn bei Allen mitspielen zu dürfen, schwören öffentlich, nie wieder mit ihm zu arbeiten, und spenden ihre Gagen. Ist es gerechtfertigt, Allens Werk derart zu versenken? Oder müsste man dann nicht auch die Stücke des Mörders Christopher Marlowe von den Bühnen verbannen, die Bücher des Diebs Jean Genet einstampfen, die Bilder des Messerstechers Caravaggio abhängen und, wo wir dabei sind, die Saliera des Schlägers Cellini aus dem Wiener KHM holen?
S o sie nicht Diktatoren dienen, herrscht bisher die kulturhistorische Übereinkunft, Künstler und ihr Werk getrennt zu betrachten. Das gilt, siehe oben, sogar für überführte Verbrecher. In Woody Allens Fall hingegen hat die öffentliche Meinung zum Bannspruch ohne Beweisführung oder Gerichtsurteil geführt. Das ist auch für die Kunst kein gutes Zeichen.