Der Maler, der einen Maler porträtiert
Leinwandmalerei am Lido: Julian Schnabel hat einen feinen Film über die späten Kapitel von Vincent van Gogh vorgestellt – mit Willem Dafoe.
Für Venedig braucht man dieses Jahr viel Sitzfleisch. 130-, 140- und 150-Minüter, so weit das Auge reicht. Läuft es gut, vergeht die Zeit wie bei den Coen-Brüdern im Flug. Läuft es schlecht, wie bei Craig S. Zahlers „Dragged Across Concrete“, werden 158
(!) Minuten zur quälenden, kleinen Ewigkeit. Mel Gibson und sein Partner Vince Vaughn werden in dem Thriller vom Polizeidienst mit Rassismusvorwurf suspendiert, weil sie bei der Festnahme eines mexikanischen Dealers zu hart vorgegangen sind, und geraten beinah selber auf die schiefe Bahn. Dann kommen sie dem Banküberfall einer brutalen Bande auf die Spur. Der am Lido mit heftigen Buhrufen bedachte Film zerdehnt mit heftigen Gewalteruptionen seine schmale Handlung und dürfte wohl manchen Trump-Wähler bestätigen, was Kriminalität, Vorurteile gegenüber Minderheiten und liberale Rassismus-Sensibilität anbelangt. „Ich schreibe für meinen Geschmack und denke dabei nicht an die Reaktionen“, erklärte der Regisseur und Drehbuchautor.
Versöhnt wurde man immerhin gleich danach mit dem Wettbewerbsfilm „At Eternity’s Gate“. Der Maler Julian Schnabel porträtiert darin Vincent van Gogh. In der Hauptrolle hervorragend besetzt ist der preisverdächtige Willem Dafoe. Der Gelegenheitsregisseur Schnabel („Schmetterling und Taucherglocke“) konzentriert sich im Film auf die späten Kapitel im Leben des Malers, als er erfolglos, mittellos und missverstanden – aber äußerst produktiv war. Dabei geht er van Goghs Selbstund Kunstverständnis nach und zeigt ihn als Einzelgänger, der unter psychischen Krisen leidet und nur in wenigen Beziehungen zu seinem Bruder Theo und Malerfreund Gauguin (Oscar Isaac), vor allem aber in der Malerei Fluchten daraus findet.
„Wir wollten mit dem Film ein Gefühl erzeugen, das man beim Betrachten eines Kunstwerks hat“, erklärte Schnabel, dessen Werk aus der Hand gefilmt, kunstvoll und von einer feinen poetischen Kraft durchströmt ist. Vor allem dann, wenn van Gogh auf der Suche nach seinen Motiven durch die Natur streift. 110 Minuten lang, auf die Sekunde richtig.