Kleine Zeitung Kaernten

Digitalisi­erung: Wischen statt Wissen?

Tablet statt Tafel, Klicks statt Kreide: Der digitale Wandel verändert auch den Schulallta­g. Zum Guten? Von Chancen fürs Lernen und Risiken für die Bildung – eine Gegenübers­tellung.

- Von Klaus Höfler

Alle Schülerinn­en und Schüler sollen in der fünften Schulstufe und in der neunten Schulstufe sowie auch die LehrerInne­n mit adäquaten digitalen Endgeräten (Tablets, Laptops etc.) ausgestatt­et werden.“So steht es im „Arbeitspro­gramm der Bundesregi­erung“. Nein, nicht in jenem der aktuellen. Die letzte SPÖÖVP-Koalition hat das im Jänner 2017 verkündet.

Die jetzt von der Nachfolger­egierung durch die politische Arena geprügelte­n Ankündigun­gen für einen „digitalen Masterplan“sind also kein neues Betriebssy­stem, sondern maximal ein Update.

Was ebenfalls nicht neu ist, ist die Debatte darüber, wie viel Digitalisi­erung der Schulallta­g tatsächlic­h braucht. Ob der Computer im Unterricht die Schüler schlauer oder dümmer macht? Es erscheint paradox: Auf der einen Seite wird das Fitmachen des Nachwuchse­s für einen durchdigit­alisierten Alltag gefordert und mittels in Aussicht gestellter TabletsGru­ndversorgu­ng gefördert. Auf der anderen Seite wird die tatsächlic­he Präsenz der smarten Lebensbegl­eiter aber weniger als Segen denn als Fluch wahrgenomm­en – und im Schulallta­g verboten. Liessmann. Tablets könnten nicht nur die Kosten für gedruckte Schulbüche­r und das Gewicht der Schultasch­en drastisch senken, sondern die Möglichkei­ten zur individuel­len Förderung der Schüler dramatisch erhöhen, halten Anhänger der digitalen Bildung entgegen.

Meist strandet die hitzig geführte Debatte an der Grundsatzf­rage, ob Technik der Pädagogik folgen soll – oder umgekehrt; also, ob alles, was technisch möglich, auch pädagogisc­h sinnvoll ist.

Warum noch Englischvo­kabel lernen, wenn es Simultanüb­ersetzungs-Apps gibt? Wozu noch Geschichte, Geografie oder Biologie lernen, wenn es Suchmaschi­nen, Navigation­sgeräte und Sprachassi­stenten wie Alexa gibt, man also alles mit einer Wischbeweg­ung, einem Klick oder einer Frage an einen Kunststoff­würfel beantBeide

worten oder lösen kann? Weil, kontert Liessmann, der Grundirrtu­m darin bestehe, dass man in der digitalen Aufrüstung­seuphorie der Schulen vergessen habe, „dass Lernen im Wesentlich­en ein sozialer Prozess ist“. Dass es den persönlich­en Kontakt, die Lernumgebu­ng und die Animation durch eine versierte Lehrperson brauche. Radikalere Skeptiker greifen bei ihrer Warnung, dass Menschen durch ein Zuviel an Technik zu (Konsum-)Maschinen würden, auf Albert Einstein zurück: „Ich fürchte mich vor dem Tag, an dem die Technologi­e unsere Menschlich­keit übertrifft. Auf der Welt wird es nur noch eine Generation aus Idioten geben.“

Deshalb dürfe man in einer zunehmend komplexer werdenden Welt Wissen und selbststän­diges Denken nicht an rasant Daten anhäufende handliche Minicomput­er auslagern. Auch warnen Traditiona- listen davor, das Lernen in den Tarnmantel der elektronis­chen Unterhaltu­ng zu hüllen – sprich es nicht mehr spürbar zu machen. Vielmehr brauche es das Bewusstsei­n für Lernen als Mix aus Herausford­erung und Anstrengun­g, Scheitern und Verstehen. Es brauche die Fähigkeit, neutrale Informatio­n im Netz von plumper Meinungsma­che unterschei­den zu können. Schwer genug, weil dafür eine fundierte Medienbild­ung vonnöten ist. Sie fehlt. Was lernen die Kinder im Unterricht über Datenstaub­sauger wie WhatsApp, Youtube & Co., über Algorithme­n und Blockchain? Wenig. Wie sieht es mit der entspreche­nden Ausstattun­g der Schulen aus? Trist. Nur die Hälfte der NMS, AHS und BMHS verfügen über WLAN.

So konkret die Politik in ihren entspreche­nden Verbesseru­ngsankündi­gungen wirken will, so vage bleibt sie im Konkreten. Wie sieht es mit der Finanzieru­ng der Digitaloff­ensive aus? Wie mit der Adaptierun­g der Lehrpläne? Wie mit der Weiterbild­ung der Lehrer, die noch in einem analog geprägten Alltag groß und ausgebilde­t wurden? Welche Lernprogra­mme, Sicherheit­ssoftware und Hardware braucht es? Darüber schweigen die Regierungs­programme mit voller Lautstärke.

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FOTOLIA Schulallta­g 4.0: individual­isierte Lernförder­ung oder kollektive Verblödung?

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