Auf Jakobs Wegen
Stefan Bohun und seine drei Brüder machen sich im Dokumentarfilm „Bruder Jakob, schläfst du noch?“auf die Suche nach ihrem Bruder Jakob – er beging Suizid.
Dieses Bild vom wuchtigen, wenig berührten Lareintal in Tirol ist Stefan Bohun seit diesem letzten Gespräch zu seinem Bruder nicht mehr aus dem Kopf gegangen. Dort, in diesem Tal, hat die Familie viele wunderschöne Urlaube erlebt und sein Bruder Jakob einen Sehnsuchtsort gefunden.
Dorthin ist der Filmemacher Stefan Bohun mit seinen drei Brüdern David, Johannes und Matthias gereist. Sie wandern durch einsame Gegenden, spielen Fußball, machen ein Lagerfeuer. Sie essen, trinken, baden, weinen. Und sie reden. Über sich, ihre Kindheit, ihren Bruder. Sie sprechen darüber, was sie nicht verstehen, von ihrer Wut, ihrer Trauer, ihrer Hilflosigkeit. Sie erzählen den anderen, was sie bereuen und was sie ihm noch gerne gesagt hätten.
Zwei Jahre sind vergangen, seitdem ihr Bruder, ein Anästhesist und Familienvater, im portugiesischen Porto Suizid verübt hat. Er ist aus dem Leben gegangen, ohne sich von ihnen, seinen Brüdern, seinen einst Verbündeten („Wir waren immer eng“) zu verabschieden.
„Dieser Tod hat auch an den Grundfesten unserer Familie gerüttelt“, erzählt Stefan Bohun. Am 14. September läuft sein Dokumentarfilm „Bruder Jakob, schläfst du noch?“österreichweit in den Kinos an. Es ist ein Film, der die Reise von vier Bohun-Brüdern dokumentiert – ein ganz persönlicher Jakobsweg. Es ist aber auch eine Reise zu ihnen selbst, als Männer, Brüder, Familienmitglieder.
Und es ist ein Film, in dem die vier Erwachsenen endlich wieder einmal etwas gemeinsam machen. „Die drei Jüngeren haben sich sofort auf den Film eingelassen“, sagt Bohun. Nur Matthias wollte zunächst nicht. Es sei ihm zu privat gewesen, zu intim. „Dass er dann doch dabei war, macht mich unglaublich stolz.“Das Projekt habe sie zusammengeschweißt.
Super-8-Filme von glücklichen Buben in kurzen Hosen, Gipfelstürmen und Autofahrten lösen sich mit Einstellungen aus dem Krankenhaus in Porto ab.
Von Julia Schafferhofer
Lieber Jakob, am 12. Jänner 2014 hast du dein Profilbild auf WhatsApp geändert. Du hast mir geschrieben: „Was siehst du auf dem Bild?“Ich habe geantwortet. „Das Lareintal.“Dann hast du nichts mehr geschrieben. Drei Tage später hast du dir das Leben genommen.
Eine Frauenstimme erzählt auf Portugiesisch von Jakob. Sie gehört einer Frau, einer guten Kollegin, die sich unbedingt mit den Brüdern treffen wollte. „Ich habe in dieser Stimme auch einen vermeintlichen Abschiedsbrief von Jakob gesehen“, sagt der Filmemacher. Die Stimme erzählt von Jakobs Sehnsüchten, von Tirol und von den Brüdern. Und von all dem, wovon sie nichts wussten – dass er Psychopharmaka nahm.
Jakob ist in dieser mutigen und auch lebensbejahenden Doku immer spürbar. „Er ist der große Abwesende, der Auslöser für den Film und dennoch nicht dabei. Für mich schwingt er mit und die Kamera (Klemens Hufnagl) nimmt Jakobs Blick ein. Und auch ein bisschen etwas von seinem feinen Humor steckt drinnen“, sagt Bohun.
Hat das Projekt bei der Verarbeitung geholfen? „Die Verarbeitung eines Suizids ist eine Lebensaufgabe. Aber man kann damit leben lernen, die Tatsache in sein Leben integrieren. Und er war einer von vier Brüdern, ich habe ja noch drei.“Insofern ist der Film Abschied und Wiedersehen.