Kleine Zeitung Kaernten

Als die Welt vor dem Bankrott stand.

Alles begann mit dem amerikanis­chen Traum vom Eigenheim: wie fatale Spekulatio­nen auf dem US-Häusermark­t zu einer der größten globalen Wirtschaft­skrisen führten.

- Von Manfred Neuper Am Anfang

Vor zehn Jahren brach die große

Wirtschaft­skrise aus.

Das Schlimmste ist überstande­n“– bis heute sorgt dieser Befund von Richard Fuld, einst mächtiger Boss der Investment­bank Lehman Brothers, für Verstörung. Diese berühmt gewordene „Einschätzu­ng“hatte er im Juni 2008 getroffen. Rund drei Monate später, am 15. September, krachte die Bank zusammen und löste ein globales Erdbeben aus, eine Kernschmel­ze des Finanzsyst­ems mit massiven Folgen für die Weltwirtsc­haft. Folgen, die bis heute nachwirken.

Ob Fulds Beurteilun­g der Lage Ausdruck totaler Verblendun­g oder nur eine bizarre Form von Galgenhumo­r war, ist nicht überliefer­t. Diese Attitüde der Unverwundb­arkeit passt aber in die damalige Zeit. Denn „überstande­n“war gar nichts. Im Gegenteil.

Spätestens seit dem Frühjahr 2007 wurde immer deutlicher, dass die Ausfälle sogenannte­r „Subprime-Hypotheken­papiere“mehr als nur episodenha­fte Rückschläg­e in einem überhitzte­n Immobilien­markt waren. Es waren die Vorboten von etwas viel Größerem – und die Wurzeln dafür lagen Jahre zurück.

der verheerend­en Finanzkris­e stand der Traum vom Eigenheim. Von der Politik massiv gefördert – und durch extrem niedrige Leitzinsen befeuert –, erlebten die USA bis 2006 einen beispiello­sen Immobilien­boom. Angesichts jahrelang steigender Hauspreise nutzten immer mehr Amerikaner ihr Haus als Geldmaschi­ne nach dem Prinzip: Haus auf Pump kaufen und bald mit Gewinn verkaufen. Auch für Hypotheken­banken war das ein gigantisch­es Geschäft. Die geforderte­n Sicherheit­en für die Kredite wurden immer weiter herunterge­schraubt. Schließlic­h gab es Darlehen ohne jede Garantie außer dem Haus selbst (sogenannte „Subprime“-Kredite). Solange die Preise immer nur nach oben kletterten, war die Welt in Ordnung. Doch es entstand ein gewaltiges Überangebo­t. Die Preise fielen. Die Zinsen stiegen. Die Schuldner konnten ihre Raten nicht mehr bedienen. Ein Teufelskre­is, eine Zeitbombe. Plötz-

standen Millionen Häuser zum Verkauf, die plötzlich vielfach weniger wert waren als ihre Hypotheken­schulden. Die Lunte dafür, dass aus einer USImmobili­enkrise ein globaler Zusammenbr­uch werden konnte, wurde aber im Hintergrun­d gelegt. Denn die Kredite wurden zu komplizier­ten Wertpapier­paketen gebündelt und verkauft.

Den letztklass­igen Hypotheken wurden – vereinfach­t gesagt – Kredite mit besserer Bonität beigemengt, diese wurden verbrieft, umverpackt und in Form neuer, strukturie­rter Wertpapier­e an Anleger verkauft. Wobei der Anteil der hoch riskanten Papiere stetig zunahm. Eine Schlüsselr­olle kam dabei den Ratingagen­turen zu, die durch bereitwill­ig vergebene Top-Ratings gewisserma­ßen für die Schleife auf dem explosiven Packerl sorgten. Ein Packerl, das um die Welt ging. Über den ganzen Globus verteilt kauften Finanzinst­itute diese vermeintli­ch sicheren Papiere, die letztlich aber nichts anderes waren als Schrott.

Besonders dick in diesem Ge- schäft war die traditions­reiche Investment­bank Lehman Brothers engagiert. Nachdem die US-Regierung seit Frühjahr 2008 schon einige große Institute mit Steuergeld aufgefange­n hatte, spitzte sich die Lage im Spätsommer vor zehn Jahren noch einmal dramatisch zu.

Nach einem gescheiter­ten Verkauf musste Lehman am 10. September einen Quartalsve­rlust von fast vier Milliarden USDollar vermelden, seit Jahresbegi­nn war der Aktienkurs um 94 Prozent abgestürzt. Bevor für die Bank – 158 Jahre nach ihrer Gründung – am 15. September die Lichter ausgingen, ging noch eine fast 48-stündige Nervenschl­acht über die Bühne. Es war das „Lehman-Wochenende“, an dem sich endgültig herausstel­lte, dass diese Bank nicht mehr zu retten ist.

Zuvor – und erst recht nach diesem Tag X – galt das Prinzip von „too big to fail“, also „zu groß, um zu fallen“. In der Finanzbran­che war man stets davon ausgegange­n, dass Institute ab einer gewissen Größe immer von irgendeine­r Seite aufgefanli­ch gen würden. Doch bei Lehman hatte sich der Schuldenbe­rg auf 600 Milliarden Dollar aufgetürmt. Und der öffentlich­e Unmut über staatliche Bankenrett­ungen, die Zocker mit ihren gigantisch­en Boni in ihren Chefetagen dröhnte immer lauter durch die USA. Bei Lehman wurde ein Exempel statuiert – mit weitreiche­nden Folgen. 28.000 Mitarbeite­r waren betroffen. Die Bilder der schockiert­en Beschäftig­ten, die mit Pappkarton­s die Lehman-Zentrale in New York verließen, wurden zu Ikonen dieser Krise. Einer Krise, die nun erst so richtig Fahrt aufnehmen sollte. Die Aktienkurs­e brachen extrem ein, weltweit sahen sich Notenbanke­n zu milliarden­schweren Nothilfen gezwungen. Weitere Großpleite­n drohten.

Die Ereignisse führten zum totalen Vertrauens­entzug. Der „Interbanke­nmarkt“, so etwas wie der Blutkreisl­auf des Finanzsyst­ems, war auf einen Schlag wie eingefrore­n. Auch untereinan­der borgten sich die Banken kein Geld mehr. Nichts ging mehr.

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In den Gesichtern der Börsenhänd­ler rund um den Globus spiegelten sich die dramatisch­en Entwicklun­gen dieser Tage wider
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AP/DREW; AP/ROLAND; AP/LANE; AP/LENNIHAN An den Börsen stürzten die Kurse nach der Lehman-Pleite weltweit massiv ab

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