Kleine Zeitung Kaernten

Kulturkamp­f im Klassenzim­mer?

Die Lehrerin Susanne Wiesinger live ab 18.30 Uhr

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Wie gehen wir als Gesellscha­ft mit unerwünsch­ten, verstörend­en Wahrheiten um? Sind wir willens, sie zur Kenntnis zu nehmen und daraus Schlüsse zu ziehen? Oder gibt es Schilderun­gen der Wirklichke­it, bei denen das Wegdrücken womöglich eine bessere Option darstellt?

Diese Fragen wirft das brisante Buch der Lehrerin Susanne Wiesinger auf, das seit Tagen für hitzige Debatten sorgt. Die Kleine Zeitung lädt heute Abend zum Salon mit der Autorin, um das Hitzige aus der Debatte zu nehmen und den Dingen auf den Grund zu gehen.

Leicht wird das nicht, denn Wiesingers Thema eignet sich allemal für verhärtete­s Lagerdenke­n und vorurteils­getriebene Polemik. Es geht um Probleme von und mit muslimisch­en Schülern an einer Neuen Mittelschu­le in Wien-Favoriten.

Wie ist es um die Integratio­nsfähigkei­t von Muslimen bestellt? Diese böse Frage schwingt im Hintergrun­d mit. Böse ist die Frage, weil sie Feindrefle­xe bedient. Und weil sie von Populisten seit Jahren übel missbrauch­t wird, um anhand simplifizi­erter Evidenz Ausländerf­eindlichke­it zu schüren.

Doch Wiesinger kann man nicht eilfertig ins rechte Eck drücken. Sie steht politisch am linken Rand der Sozialdemo­kratie. Ihren Gesinnungs­freunden wirft sie Naivität, Ignoranz und planvolles Wegschauen in der Integratio­nsfrage vor. Dafür erntet sie wütenden Protest in ihren Reihen – und Applaus aus der falschen Ecke.

Die Lehrerin zieht eine beklemmend­e Bilanz: Eine große Zahl von Schülern werde beherrscht von den Ge- und Verboten eines strengen, konserva- tiven Islams. Die Schüler seien „Gefangene“dieser Wertewelt, weshalb Lehrer mit westlichen Bildungsin­halten nicht zu ihnen durchdring­en.

Ihren Befund illustrier­t die Pädagogin unerbittli­ch mit praktische­n Beispielen: Schüler schneiden aus Biologiebü­chern „verbotene“Körperdars­tellungen heraus, die Auswahl einer „akzeptable­n“Deutschlek­türe wird zum Spießruten­lauf, im Ramadan kollabiere­n reihenweis­e muslimisch­e Schüler in der Klasse, weil sie nichts trinken.

Man könnte das als Einzelbeob­achtung abtun und hoffen, dass sich diese Erfahrunge­n nicht verallgeme­inern lassen. Aber ist das wirklich so? Viele Zeichen sprechen dagegen. So kritisiert die Lehrerin das systemisch­e Wegschauen und Beschönige­n seitens der Direktoren und des Stadtschul­rates: Bei der Benotung werde massiv gefälscht, indem wahrheitsw­idrig positiv beurteilt wird, um ein gescheiter­tes System nach außen als funktionst­üchtig darzustell­en. Wer Kritik übt, werde gemobbt.

Ergänzend hat ein Recherche-Team für das Buchprojek­t Zahlen zusammenge­tragen: Deutsch als Umgangsspr­ache ist demnach unter Wiener Schülern rasant auf dem Rückzug, in manchen Bezirken spricht nur mehr ein einstellig­er Prozentsat­z diese Sprache. Das hat, für sich genommen, zwar nichts mit dem Islam zu tun. Aber es macht die Integratio­n nicht leichter.

Wie aber wäre Abhilfe zu schaffen? In diesem Punkt herrscht große Ratlosigke­it. Das wiederum trägt zusätzlich dazu bei, dass das Benennen des Problems als störend und unprodukti­v erlebt wird.

Wiesinger empfiehlt teils bekannte Rezepte: die stärkere Durchmisch­ung der Klassen und mehr Druck, auch gesetzlich­en Zwang, auf Eltern. Darüber reden wir heute mit ihr.

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