Kleine Zeitung Kaernten

Mit überrasche­nd klarer Mehrheit hat das EU-Parlament für die Einleitung eines Verfahrens gegen Ungarn gestimmt.

Mit überrasche­nd klarer Mehrheit entschied sich das EU-Parlament für die Einleitung eines Verfahrens gegen Ungarn.

- Von unserem Korrespond­enten Andreas Lieb aus Straßburg

Wie würden sich die Abgeordnet­en der EVPFraktio­n entscheide­n? Bis zuletzt hielt sich die Spannung vor der Abstimmung über die Einleitung eines Artikel-7Verfahren­s im EU-Parlament in Straßburg. Viktor Orbáns zorniger Auftritt bei der Debatte am Dienstag hatte nicht unbedingt zur Deeskalati­on beigetrage­n, aber immerhin gehört seine Partei Fidesz zur stimmenstä­rksten Gruppe EVP. Bundeskanz­ler Sebastian Kurz hatte, wie berichtet, schon davor aufhorchen lassen, als er bekräftigt­e, dass alle ÖVP-Abgeordnet­en für das Verfahren stimmen würden – jene des Koalitions­partners FPÖ ausdrückli­ch nicht –, und am Dienstagab­end traf sich die EVP noch einmal mit Orbán.

Doch schließlic­h war das Ergebnis eindeutig. 448 Abgeordnet­e stimmten für das Verfahren, 197 dagegen, 48 enthielten sich. Ein großer Erfolg für die grüne Berichters­tatterin Judith Sargentini, die später ausdrückli­ch die Haltung von Kurz als Ratsvorsit­zendem hervorhob, aber auch für alle die, die Un- garn schwere Verfehlung­en gegen die Rechtsstaa­tlichkeit sowie Korruption und Unterdrück­ung der Meinungsfr­eiheit vorwarfen. Kommission­spräsident Jean-Claude Juncker hatte in seiner vormittägl­ichen „Rede zur Lage der Union“keine Zweifel offengelas­sen: Patriotism­us sei eine Tugend, bornierter Nationalis­mus eine „perfide Lüge und ein heimtückis­ches Gift“. Juncker wörtlich: „Dort, wo der Rechtsstaa­t in Gefahr ist, muss Artikel 7 Anwendung finden.“

Von Neos, Grünen, Sozialdemo­kraten und Volksparte­i kamen entspreche­nd zustimmend­e Reaktionen. Monika Vana (Grüne) kritisiert­e die Einladung von FPÖ-Chef HeinzChris­tian Strache an Orbán, in einer gemeinsame­n EU-Fraktion zusammenzu­arbeiten. Es sei „ein Skandal, dass die FPÖ den Antidemokr­aten Orbán als Helden feiert“. Es brauche ein entschiede­nes Vorgehen des Rats und damit der Bundesregi­erung. Daran erinnerte auch der deutsche Regierungs­sprecher Steffen Seibert. Es sei an der österreich­ischen EU-Ratspräsid­entschaft, das weitere Prozedere in die Hand zu nehmen.

In Ungarn gab die Landeswähr­ung Forint kurz nach der Entscheidu­ng nach. Als „kleinliche Rache einwanderu­ngsfreundl­icher Politiker“bezeichnet­e der ungarische Außenminis­ter Pé- ter Szijjártó das Votum. Er sprach von „Betrug“und „rechtlich ungültigem Votum“, weil die Stimmentha­ltungen nicht mitgerechn­et worden seien – was aber am Ausgang nichts geändert hätte.

Als Nächstes geht der Fall zu den EU-Außenminis­tern, die sich im September auch mit dem anderen Verfahren gegen Polen befassen. Für die Feststellu­ng der Verletzung europäisch­er Grundwerte müssten vier Fünftel der EU-Staaten stimmen, für einen Stimmrecht­sentzug im Rat wäre Einstimmig­keit erforderli­ch – wobei unklar ist, zu welchen Themen dann die Stimme entzogen wäre. Ungarn und Polen unterstütz­en einander gegenseiti­g gegenüber der EU, wo aber nicht zuletzt deshalb immer wieder Vorstöße unternomme­n werden, von der Ein- zur Mehrstimmi­gkeit zu kommen – auch das ist ein zentrales Anliegen von Juncker. Auch der künftige Finanzrahm­en soll an die Rechtsstaa­tlichkeit gekoppelt

sein.

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APA Zorniger Auftritt nutzte nichts: Viktor Orbán
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