Lucys Gespür für Aromen
Authentische chinesische Küche ohne Glutamat? Gibt es jetzt auch in der Heimat. Meisterköchin Lucy Liu Jun zeigt vor, wie sie schmeckt.
Wer traut sich aufzuzeigen, wenn nach einer Liste aller österreichischen Spezialitäten gefragt wird? Schließlich trifft der Vorarlberger Räßkäs nicht alle Tage die Villacher Kirchtagssuppe. Wie geht man also an die Einteilung der kulinarischen Besonderheiten Chinas heran? Ein Land, in dem Österreich – als Wiener Schnitzel gesehen – allein von Osten nach Westen eine Reihe von acht Riesenwienern bilden würde. Und in dem die Küche die breite Palette zwischen Notwendigkeit und dem Stäbchenschwung der Upperclass abdecken muss.
Echte chinesische Küche hat mit der europäisch übersetzten kaum etwas gemein. Wie gut, dass Lucy Liu Jun nach Österreich gekommen ist. Schon 2013 startete sie in Peking ihren Küchenblog „Lucy’s Kitchen“und leitete eine eigene Kochschule. Nun gibt sie ihr gesammeltes Wissen um authentische chinesische Küche im Rahmen von Kochkursen oder als Mietköchin weiter.
Guangdong-, Shandong-, Sichuan-, Fukien-, Kanton- und Huai-Yang-Küche – im Norden isst man salzig, im Westen scharf. Oder umgekehrt? Was vorher an Halbwissen durcheinandergeraten ist, reiht sich nun ordentlich ins Gedächtnis ein: Es gibt also Peking und die nördliche Regionalküche, erklärt Lucy, außerdem Schanghai und die östliche, Kanton und die südliche und Sichuan und die feurig-scharfe westliche Küche. Dann greift sie nach ein paar Gurken und schlägt sie klein. Klingt barbarisch, ist aber halb so wild (siehe Rezept) und ein schlaues Verfahren, mehr Aroma in den Feldfrüchten zu bunkern. Was in China in den Kochtopf kommt, bestimmen Lebensstandard und Verfügbarkeit. Das schnelle Abbraten von kleinen Fleischstücken ist darauf zurückzuführen, dass das Brennholz oft recht knapp war, erklärt die Meisterköchin. Glücklicherweise bleiben so auch die meisten gesunden Inhaltsstoffe erhalten.
Spätestens nach Lucys Feuerspiel mit „Yu Xiang Rou Si“im Wok steht auch fest, dass die Gerichte klangvolle Namen haben – wörtlich heißt es „Nach Fisch duftendes Schweinefleisch mit aromatischer Sauce“und es schmeckt fabelhaft. Zwischendurch gibt’s ein winziges Stück einer Aromabombe auf die Zunge – Szechuanpfeffer lässt die Haut prickeln, dann leicht taub werden. Von der Tofuhaut mit Schwarzmorcheln bis zum fruchtig sämigen Mango Sago – nach dem Kurs fühlt man sich bestärkt, die Komfortzone in der eigenen Küche einmal zu verlassen. Bleibt noch zu erwähnen, dass Lucy mittlerweile auch die österreichische Küche verinnerlicht hat. Am Wochenende gab’s für chinesische Gäste einen Kurzkurs in Sachen Schweinsbraten und Backhendl.