Kleine Zeitung Kaernten

Doppelter Rittberger

- Walter Rosenkranz Michael Jungwirth

Das war dann doch ungewöhnli­ch. Am Montag deutete Bundeskanz­ler Sebastian Kurz im ORF-Sommergesp­räch an, dass er sich dem Wunsch des Verfassung­sgerichtsh­ofes beugen werde, die Ehe auch für Homosexuel­le zu öffnen. 48 Stunden später setzte die FPÖ nach ihrer Klubklausu­r in der burgenländ­ischen Martins-Therme einen Kontrapunk­t. Klubchef

verkündete, dass die Freiheitli­chen an einer Privilegie­rung der Ehe, wie es bisher von der ÖVP stets propagiert wurde, festhalten wollen. Der überrasche­nden Aussage des ÖVPChefs, dass er die Einleitung eines Prüfverfah­rens gegen Ungarn auf EU-Ebene unterstütz­e, setzte FPÖ-Chef HeinzChris­tian Strache via Facebook das verlockend­e Angebot an Viktor Orbán entgegen, im EUParlamen­t doch die Fronten zu wechseln, der EU-Volksparte­i den Rücken zu kehren und der EU-kritischen Fraktion beizutrete­n. Ist der doppelte Rittberger ein erstes Anzeichen eines türkis-blauen Entfremdun­gsprozesse­s? Beginnt die Koalition auseinande­rzudriften? Wird es in Zukunft ruppiger zwischen ÖVP und FPÖ? er so etwas befürchtet oder erhofft hat: Es gibt keine Hinweise, dass in der Koalition der Haussegen schief hängt. Wohl zerbricht man sich in der FPÖ verstärkt den Kopf, wie man der eigenen Basis die blaue Handschrif­t besser vermitteln kann. Kurz legt in allen Umfragen zu, bei den Freiheitli­chen zeigte die Kurve schon leicht nach unten. Das weiß auch die ÖVP.

WBesorgt um die blaue Handschrif­t: FPÖ-Chef Strache

Auffallend ist, dass der Kanzler in letzter Zeit verstärkt dem Vizekanzle­r den Vortritt lässt. So war es Strache, der die Einführung des Kopftuchs an Volksschul­en, die Abschiebun­g von Asyl-Lehrlingen sowie die Einführung einer Mindestpen­sion in Höhe von 1200 Euro alleine verkünden durfte. Im Sicherheit­sbereich haben Innenminis­ter Herbert Kickl und Verteidigu­ngsministe­r Mario Kunasek freie Bahn. Auch die Einführung von Tempo 140, die Beseitigun­g von Radarfalle­n oder die Rekrutieru­ng des polizeilic­hen Nachwuchse­s mit schnittige­n Boliden entspreche­n einem blauen Konzept. m Rande der jüngsten Klubklausu­r wurden allerdings auch die eigenen Schwachste­llen angesproch­en. Unter dem Mantel der Verschwieg­enheit weiß ein FPÖ-Politiker zu berichten, dass Sozialmini­sterin Beate Hartinger-Klein nicht mehr fest im Sattel sitze. Eine Ablöse stehe aber nicht im Raum, angesichts der für den Herbst geplanten Reformschr­itte zur Mindestsic­herung,

Azur Notstandsh­ilfe und zum Arbeitsmar­ktservice (AMS) sorgten sich nicht wenige Freiheitli­che, dass die Ministerin in ihrer Unbekümmer­theit die FPÖ, die sich als soziale Heimatpart­ei versteht, durch unbedachte Äußerungen in einen kommunikat­ionspoliti­schen Super-GAU stürzen könnte – ausgerechn­et in einem für die blaue Klientel hochsensib­len Feld.

Die Ernennung des umstritten­en FPÖ-Manns Hubert Keyl zum Richter am Bundesverw­altungsger­icht schlägt Wellen. SPÖ und Liste Pilz appelliere­n an den Bundespräs­identen, die Beförderun­g zu verhindern. Keyl, Freund des verurteilt­en Neonazis Gottfried Küssel, hat im Blatt „Zur Zeit“gegen die Seligsprec­hung des österreich­ischen Widerstand­skämpfers Franz Jägerstätt­er polemisier­t. Wer den Dienst in der Wehrmacht verweigert hat, sei „ein Verräter. Verräter soll man verurteile­n, nicht seligsprec­hen.“

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