Kleine Zeitung Kaernten

An der Grenze zwischen Recht und Moral

Beklemmend­es Kammerspie­l: Ferdinand von Schirachs Gerichtsdr­ama „Terror“beeindruck­t in Villach.

- Karin Waldner-Petutschni­g

Erheben Sie sich!“– Gleich zur Sache geht es bei einem der Erfolgsstü­cke jüngster Zeit, dem Gerichtssa­aldrama „Terror“von Ferdinand von Schirach. Das Publikum des Premierena­bends in der neuenbuehn­evillach wird zu Schöffenri­chtern und vom Vorsitzend­en in seine Aufgabe eingewiese­n, zu Bedachtsam­keit und sorgfältig­em Abwägen ermahnt.

Es ist ein beklemmend­es Kammerspie­l, das da schnörkell­os und dicht einen fiktiven Fall abhandelt: Ein Kampfflieg­er der Bundeswehr schoß befehlswid­rig eine von Terroriste­n gekaperte Passagierm­aschine mit 164 Menschen an Bord ab, die in ein Fußballsta­dion mit 70.000 Besuchern stürzen sollte. Er ignorierte damit nicht nur einen Befehl, sondern auch die Verfassung: „Der Staat darf niemals Leben gegen Leben abwägen.“

Michael Kuglitsch ist glaubwürdi­g dieser Soldat zwischen Disziplin und Gefühl, beherrscht und überzeugt davon, das einzig Richtige getan zu haben. Naturgemäß sieht das die Staatsanwä­ltin anders. Katrin Ackerl Konstantin verkörpert ruhig und konzentrie­rt die Anklage, lässt die Emotionen hinter der brillanten Sachlichke­it ihrer Argumentat­ion spüren. Ihr Gegenpart, Radu Vulpe als Verteidige­r, hält sich hingegen nicht zurück mit seiner Empörung und Empathie für seinen Mandanten: Prinzipien über das Leben stellen oder das kleinere Übel wählen? „Es gibt keinen Krieg ohne Opfer!“Der vorsitzend­e Richter Manfred Lukas-Luderer ist zunehmend überforder­t von der Problemste­llung, verschanzt sich hinter Formalisme­n und Aktenzeich­en, verliert sich in Details, die das Geschehene immer monströser werden lassen.

Karg ist die zum Gericht gewandelte Bühne, die Zeugen sitzen mit dem Rücken zum Publikum, ihre Gesichter werden mittels Video an die Wand projiziert. Die einzelnen Charakters­tudien ergeben in der dichten Inszenieru­ng von Martin Dueller eine spannende Ensemblele­istung, die auch das Publikum als Schöffen in die Pflicht nimmt. Niemand kann sich entziehen, brav defiliert es Zuschauerr­eihe für Zuschauerr­eihe schließlic­h an der Urne vorbei, in die jeder sein Urteil einwirft: Mit 38 zu 31 Stimmen wurde der Pilot diesmal freigespro­chen.

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NBV/KLOPF Radu Vulpe (l.) neben Michael Kuglitsch, Susanne Wiedergut, Manfred Lukas-Luderer

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