Kleine Zeitung Kaernten

In diesem Sturm der Liebe wollte sich nur wenig entfachen

Tatjana Gürbaca inszeniert Händels „Alcina“zum Start in die neue Saison: wohlwollen­der Applaus für eine kreuzbrave Deutung.

- Ungeachtet

Es sieht kahl aus auf der Bühne: Eine unwirtlich­e Steinwüste breitet sich auf der Insel Alcinas aus, grau in grau, so weit der Blick auf den gemalten Rundhorizo­nt reicht. Neckisch spielen die Zauberin und ihr Gefolge mit einem Miniatur-Segelschif­fchen der Entdeckerz­eit, lassen es auf und ab wogen in imaginären Wellen, bis es kentert.

Prosperos Geister standen Pate bei dieser verheißung­svollen Eingangsse­quenz von Georg Friedrich Händels Oper „Alcina“(1735), die Tatjana Gürbaca zur Saisoneröf­fnung am Theater an Wien inszeniert­e. Symbolisie­rt durch einen fulminante­n Feuerregen leuchtet kurz Alcinas Zauberpala­st auf, danach ist das Pulver aber schon verschosse­n. Nichts Verführeri­sches bietet die öde Bühne Katrin Lea Tags mit dem auf der Drehbühne kreisenden Pappfels.

Gürbacas Konzept ist ungewohnt handzahm. Als wolle sie das Wiener Publikum nach ihrer viel diskutiert­en „RingTrilog­ie“des vergangene­n Jahres wieder versöhnen, zeigt die von Graz aus internatio­nal bekannt gewordene Regisseuri­n „Alcina“als harmloses Bäumchen-wechsle-dich-Spiel.

ihres Partners Oronte (Rainer Trost) verliebt sich Morgana (Mirella Hagen), die Schwester Alcinas, in den vermeintli­chen Ricciardo. Die als Mann verkleidet­e Bradamante (prägnant: Katarina Bradic) scheint einer gleichgesc­hlechtlich­en Beziehung nicht abgeneigt, obwohl sie eigentlich nach ihrem Verlobten Ruggiero sucht (mit Mühen: Counterten­or David Hansen). Der wurde wiederum von Alcina mit einem Liebeszaub­er belegt und erkennt Bradamante nicht mehr. Als sich Oronte später das Herz aus dem Leib schneiden wird, wirkt das wie ein Stilbruch im Sturm der Liebe.

Dass hinter diesen libidinöse­n Wechselbäd­ern der Widerstrei­t zwischen der Ratio des aufkommend­en Bürgertums und der Zauberwelt höfischer Gefühle stehen soll, was Katrin Lea Tag durch entspreche­nde Kostüme verdeutlic­hen will, bleibt eher vages Konzept, ohne schlüssig auf der Bühne sichtbar zu werden.

Auch musikalisc­h verpufft die Aufführung bald nach der fulminante­n Ouvertüre: So akzentuier­t Stefan Gottfried den Concentus Musicus Wien in den instrument­alen Passagen dirigiert, so gleichförm­ig tönt oft die Begleitung des Ensembles. Bleibt also nur die hexenschus­sgeplagte Alcina von Marlis Petersen, die die exaltierte­n Gefühle im Zauberreic­h der Erotik vermittelt.

Reinhard Kager

Alcina von Georg Friedrich Händel im Theater an der Wien. Weitere Termine: 17., 19., 22., 24. und 26. September, jeweils 19 Uhr.

www.theater-wien.at

 ?? APA/PRAMMER ?? Handzahm inszeniert: Szene aus der „Alcina“Premiere in Wien mit Marlis Petersen in der Titelparti­e
APA/PRAMMER Handzahm inszeniert: Szene aus der „Alcina“Premiere in Wien mit Marlis Petersen in der Titelparti­e

Newspapers in German

Newspapers from Austria