Der Kanzler auf europäischer Mission
Sonntag Merkel, Montag Macron und heute Italiens Ministerpräsident Conte. Bundeskanzler Kurz wirbt für seine Migrationspolitik.
Sieben Stufen hat die Treppe im Innenhof des Élyséepalasts. Emmanuel Macron läuft sie mit federnden Schritten hinab auf die dunkle Limousine mit dem Gast aus Wien zu, die knirschend im weißen Kies stoppt. Kurze, abgehackte Befehle durchschneiden die Stille. Der pompöse Empfang gilt Sebastian Kurz als Kanzler und amtierendem EU-Ratsvorsitzenden in Personalunion. Natürlich inszeniert der französische Präsident auch seine Macht und die seines Landes.
Über Kurz und Macron ist viel geschrieben worden, über die Jugend, die sie eint, und die Politik, die sie trennt. Als Antipoden hat man die zwei dargestellt, liberal und europäisch gesinnt der Franzose, konservativ und nach rechts offen der Österreicher. Aber die Flüchtlingskrise hat alle Zuordnungen
Mit harter Faust geht Macron gegen illegale Zuwanderer vor. Kurz ist an diesem strahlenden Septembertag nach Paris gereist, um vor dem Gipfel den Präsidenten in der Migrationspolitik als Verbündeten zu gewinnen.
„Es gibt zu viele Spannungen in der Europäischen Union zwischen Osten, Westen, Norden und Süden“, sagt der Kanzler, als er mit dem französischen vor die Presse tritt. Er will loskommen vom lähmenden Streit um die Verteilung der Flüchtlinge, der seit Jahren das Klima in Europa vergiftet. Der Vorschlag, den Kommissionspräsident Jean-Claude Juncker in der Vorwoche bei seiner Rede zur Lage der Union zur Stärkung der EU-Grenzschutzagentur Frontex und zur Ausweitung ihres Mandats gemacht hat, kommt Kurz geledurcheinandergewirbelt. gen. Er könnte inmitten von Zank und Hader einen Minimalkonsens darstellen, hofft man in Wien. Und nach der deutschen Kanzlerin Angela Merkel, die er am Vorabend in Berlin traf, sichert ihm in Paris auch Macron Unterstützung zu.
„Um das Gleichgewicht Europas zu sichern und unsere Mitbürger zu schützen“, müsse Europa Frontex stärken, die Außengrenzen schützen, die Ankünfte besser kontrollieren, den Dialog mit den Transit- und Herkunftsländern suchen und die Rückführungen optimieren, sagt Macron, ehe er sich mit seinem österreichischen Gast zum intensiveren Austausch zurückzieht.
Von einem „guten Gespräch“berichtet danach der Kanzler in der österreichischen Botschaft. Er sei „froh“darüber, dass sich der Fokus der Debatte, in der es vor zwei Jahren noch sehr moralisierend um Quoten geganPräsidenten gen sei, hin zu einer Aufwertung von Frontex verlagert habe. Nur wenn man so weit komme, dass die Flüchtlingsboote gar nicht erst von Nordafrika ablegen, könne man das Geschäftsmodell der Schlepper zerschlagen, so Kurz.
Doch wie immer spießt es sich an Details. In Italien, Griechenland und Spanien gibt es gegen eine Ausweitung des Mandats von Frontex starken Widerstand. Die Südländer stemmen sich gegen den Souveränitätsverlust, der mit einem in ihren Gewässern autonom operierenden europäischen auf 10.000 Mann aufgestockten Grenzschutzkorps verbunden wäre. „Die südeuropäischen Länder müssen sich beim Thema Migration auch „helfen lassen“, sagt der Kanzler in Paris. Heute will er bei einem Besuch in Rom Italiens Ministerpräsident Giuseppe Conte davon überzeugen.