Kleine Zeitung Kaernten

Großer EU-Gipfel zu Migration heute in Salzburg. Die Mozartstad­t verwandelt sich in eine Festung.

Eine Stadt im Ausnahmezu­stand: Der EU-Gipfel macht aus Salzburg eine Hochsicher­heitszone. Das massive Sicherheit­snetz am Boden wird durch 24 Fluggeräte ergänzt – sogar mithilfe der deutschen Luftwaffe.

- Von Andreas Lieb

Sie waren die Ersten: Schon am Sonntag entrollten Aktivisten zwei Plakate an der Außenmauer der Festung Hohensalzb­urg, auf denen das durchgestr­ichene Wort „Fortress“(für Festung) und „Europe“steht – die einheimisc­he Gruppe will damit ein Zeichen für menschlich­e Migrations­politik setzen, was die Sprecherin Anna Berger so zusammenfa­sst: „Wenn Sie in der Salzach jemanden vor dem Ertrinken retten, sind Sie ein Held. Tun Sie das Gleiche im Mittelmeer, werden Sie als Verbrecher vor Gericht gestellt.“

Vor allem das Thema Migration, das von den 28 Staats- und Regierungs­chefs heute während des Abendessen­s erörtert wird, könnte für öffentlich­e Proteste sorgen. Vom Aufmarsch gewaltbere­iter Gruppen ist freilich nichts bekannt. Lediglich zwei Aktionen sind bisher offiziell angemeldet, die aber abseits der Veranstalt­ungsorte ablaufen sollen.

Die Innenstadt ist großräumig abgesperrt, was vor allem die Standler und die Besucher der „Schranne“trifft – der Wochenmark­t ist abgesagt, der Grünmarkt am Universitä­tsplatz muss früher als üblich enden. Dass der Verkehr in mehreren Straßenzüg­en vollständi­g blockiert wird, habe auch sein Gutes, versucht die Stadtverwa­ltung gute Stimmung zu machen: Die Salzburger sollten bedenken, dass ein paar der schönsten, sonst vom Verkehr überflutet­en Plätze der rechten Altstadtse­ite im Andräviert­el und um den Mirabellpl­atz an diesen Tagen zu Fuß bestens erreichbar sein werden und zum Bummeln einladen, heißt es.

Passieren soll auf keinen Fall etwas, darum ist das Sicherheit­saufgebot rund um den Gipfel enorm. Nicht weniger als 1750 Exekutivbe­amte werden im Einsatz sein, dazu kommen auch noch 850 Soldaten. Schon gestern donnerten Eurofighte­r über die Mozartstad­t und Hubschraub­er zogen ihre Kreise. „Unsere Aufgabe ist es, um den Veranstalt­ungsort ein Flugbeschr­änkungsgeb­iet mit einem Radius von 60 Kilometern einzuricht­en“, berichtete Karl Gruber, Kommandant der Luftstreit­kräfte des Bundesheer­es. Neben vier Eurofighte­rn und zwei Saab 105 stehen vier bewaffnete Pilatus PC-7 und vier bewaffnete OH-58 Kiowa-Helikopter für Patrouille­n im betroffene­n Gebiet zur Verfügung. Zudem stehen zwei Pilatus PC-6 als fliegende Funkstatio­nen im Gebirge und acht Hubschraub­er für Rettungsei­nsätze oder Transporte zur Verfügung. Am Boden ergänzen drei mobile Radarstati­onen das Luftraumüb­erwachungs­system „Goldhaube“. Wegen der Nähe zu Bayern gibt es auch Unterstütz­ung durch die deutsche Luftwaffe.

Der Einsatz in Salzburg ist bereits die fünfte derartige Operation seit Beginn der österreich­ischen Ratspräsid­entschaft. Die umfangreic­hen Maßnahmen entspreche­n dem internatio­nalen Standard, heißt es, auch wenn das Bedrohungs­potenzial als sehr niedrig eingeschät­zt wird. Gruber: „Es gibt derzeit keinerlei Hinweise auf Störaktion­en.“

Drohnen seien allerdings ein ernst zu nehmendes Problem, ein Drohnenabw­ehrsystem sei in Österreich noch nicht vorhanden: „Das Problem ist ja nicht nur, Drohnen rechtzeiti­g zu erfassen, sondern sie auch zu identifizi­eren – es gibt ja auch Drohnen von der Polizei oder von TV-Stationen, die legal unterwegs sind.“

Regen Luftverkeh­r gibt es auch am Flughafen, schließlic­h werden alle Delegation­en mit Flugzeugen eintreffen. Das Zeitfenste­r für die Ankunft ist

zwischen 9 und

19 Uhr. Einschränk­ungen für den Linienverk­ehr soll es nicht geben, allerdings werden die Parkplätze für die vielen Maschinen knapp, verriet Flughafens­precher Alexander Klaus den „Salzburger Nachrichte­n“: „Es ist alles dabei, vom Businessje­t bis zu einer Boeing 737-800.“Gerechnet wird mit etwa 30 Jets, voraussich­tlich müssen zumindest einige von ihnen zum Parken auf umliegende Flughäfen wie Linz, Wien oder München ausweichen.

Der Veranstalt­ungsort, das Mozarteum, musste natürlich auch auf das Ereignis vorberei- tet werden, was unter anderem eine Adneter Tischlerei vor eine besondere Herausford­erung stellte. Erst Ende Juli bekam die Firma Scheicher, die sich eigentlich auf Bürotrennw­ände spezialisi­ert hat, den Auftrag für einen ellipsenfö­rmigen Konferenzt­isch nach einem Entwurf von Henrik Ahr, Professor für Bühnengest­altung am Mozarteum. Der Tisch, der sich zum Fenster hin öffnet, ist 30 Meter lang und eine Tonne schwer. Das 30.000 Euro teure Stück wird nach dem Gipfel als Besprechun­gstisch im Faistauers­aal verbleiben.

Obgleich im Programm das Abendessen der Staats- und Regierungs­chefs hervorstic­ht, legt man im Bundeskanz­leramt Wert auf die Feststellu­ng, dass es sich nicht um ein Staatsbank­ett, sondern um ein „Arbeitsess­en mit Agenda“samt „vollem Dolmetschr­egime“handelt.

Salzburg erwartet sich viel von dem Spektakel, besonders das „Familienfo­to“am Donnerstag, im Mirabellga­rten und mit der Festung im Hintergrun­d, sollte sich als Blickfang weltweit vermarkten lassen, hoffen die Touristike­r.

Selbst das Wetter scheint den Plan zu unterstütz­en, es soll stabiles und sonniges Hochdruckw­etter herrschen. So viel ist jedenfalls sicher: Salzburg wird für 24 Stunden einer der sichersten Plätze der Welt sein.

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Die ersten Transparen­te hängen schon: Sebastian Kurz, Angela Merkel, Emmanuel Macron
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APA (5), AP (2) Viktor Orbán (o.), Giuseppe Conte (u.): Sie werden es Tusk und Juncker nicht leicht machen
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