Ex-Kanzler bringt sich für EU-Topjob ins Spiel
2019 werden die Präsidentenämter von Rat, Parlament und Kommission neu besetzt.
Christian Kern im Brüsseler Ausgedinge? Was für viele wie die Flucht eines von Gegnern und Genossen zermürbten Mannes anmutet, könnte sich als echter Coup entpuppen. Denn sollte die Sozialdemokratische Partei Europas (SPE), die sich heute vor dem EU-Gipfel in Salzburg trifft, wirklich den früheren Kanzler zu ihrem Kandidaten für die EU-Wahlen 2019 küren, spielt Kern beim Poker um die im kommenden Jahr zu vergebenden EU-Top-Jobs vorne mit.
Gleich vier Ämter werden neu verteilt. Seit dem EU-Beitritt 2015 hatte noch nie ein Österreicher eines davon inne. Auch jetzt ist das mächtigste, das des EU-Kommissionspräsidenten (derzeit der Luxemburger Christdemokrat Jean-Claude Juncker), für Kern wohl außer Reichweite. Seit der letzten Europawahl gilt nämlich: Wer als Spitzenkandidat einer europäischen Parteienfamilie gewinnt, wird Chef der Brüsseler Behörde. Dass Europas Sozialdemokraten triumphieren, ist unwahrscheinlich. Sie dürften im Gegenteil arg dezimiert werden. Derzeit werden dem Fraktionschef der Europäischen Volkspartei in Straß- burg, Manfred Weber (CSU), gute Chancen eingeräumt.
Neu zu besetzen sind mit dem ständigen Ratspräsidenten jedoch auch der nominell hochrangigste Posten in der EU, (derzeit der liberal-konservative Pole Donald Tusk) sowie das 2009 neu geschaffene Amt des EU-Außenbeauftragten (derzeit die italienische Sozialdemokratin Federica Mogherini). Für beide Jobs wurde 2009 der frühere SPÖ-Kanzler Alfred Gusenbauer gehandelt, dem Vernehmen nach aber von seinem damals regierenden Parteifreund Werner Faymann verhindert. Als ehemaliger Regierungschef, der noch dazu in Europa bella figura machte, hätte Kern zweifellos gute Chancen, zumal die Personaldecke der europäischen Sozialdemokraten dünn ist.
Und dann ist da noch das Amt des Parlamentspräsidenten (aktuell der konservative Italiener Antonio Tajani), das sich Volkspartei und Sozialdemokraten seit Jahrzehnten gleichsam in Erbpacht teilen.
Erste Herausforderung für Kern wird es freilich sein, seine überrumpelte Partei von seinen hochfliegenden Plänen zu überzeugen.