Vielseitige Visitenkarte
Chips für Reisepässe, Bankomatkarten, Smartphones oder Autos: Seit 20 Jahren entwickelt Infineon im „kleinen großen“Graz – jetzt wird ausgebaut. Von Höhenflügen und Herausforderungen.
Sie alle würden sich schwertun, kein Kunde von uns zu sein.“
Es sind Worte, die Sabine Herlitschka an diesem spätsommerlichen Nachmittag besonders leicht über die Lippen gehen. In Graz hat sich nicht nur die personelle Konzernspitze zahlreich eingefunden, auch viel weitere Prominenz aus Wirtschaft und Wissenschaft ist zugegen. Gewissermaßen ein Heimspiel für die in der Forschung verwurzelte Chefin von Infineon Österreich, routiniert leitet sie mit prominenten Anwendungsbeispielen für Produkte aus eigenem Haus ein.
Ein kurzer Auszug: In der Hälfte aller Pässe und Ausweise weltweit befindet sich ein Sicherheits-Chip von Infineon. Bezahlen Sie an der Supermarktkasse kontaktlos mit Bankomatkarte, arbeitet im Hintergrund Infineon-Technik. Was die beiden genannten Beispiele gemein haben? Erdacht wurden die Technologien in Graz. Im InfineonUniversum firmiert der Standort als „globales Zentrum für Kontaktlostechnologien“, eingebettet in das fruchtbare Umfeld aus Universitäten und Cluster-Organisationen. Gestern wurde das 20-jährige Standortjubiläum gefeiert.
Dafür reist auch InfineonBoss Reinhard Ploss aus Deutschland an. Dieser sieht es als „gutes Zeichen“, dass er „eigentlich immer nur bei Standorteröffnungen und Feiern“in Graz sei und nicht bei etwaigen Wenngleich der Infineon-Boss an diesem fröhlichen Nachmittag auch mahnende Worte im Gepäck hat. „Nur größer zu werden, reicht nicht“, sagt Ploss mit Blick auf die hauseigenen Expansionspläne. Man müsse auch „neue Themen adressieren“, wie die Frage nach dem „sicheren und zuverlässigen Datenaustausch“zwischen den einzelnen Chipsystemen. Behalte der steirische Standort seine Wand- lungsfähigkeit, werde er die Bedeutung innerhalb des Konzerns aber jedenfalls aufrechterhalten. Dort spreche man nämlich, so Reinhard Ploss launig, nicht umsonst vom „kleinen großen Graz“.
Die Demut des Chefs zeugt freilich auch von einer turbulenten Geschichte, auf die Infineon zurückKrisen. blickt. Einst zum Siemens-Konzern gehörend, erlebte das später eigenständige Unternehmen nicht nur unternehmerische Höhen. Düster sah es aus, als der globale Chipmarkt einbrach und der Aktienkurs des Unternehmens im März 2009 bei gerade noch 0,35 Euro dümpelte. Heute kosten die Papiere 20 Euro, das Unternehmen legt schneller zu als der Markt und zählt zu den weltweit profitabelsten Chipherstellern. Den Blick auf riesige Wachstumsfelder
gerichtet: Elektrisches und vor allem autonomes Fahren zählt der Halbleiterspezialist, der bereits 40 Prozent des Umsatzes im Bereich „Automotive“macht, ebenso dazu wie 3D-Bildsensoren, die man etwa zum exakten Erkennen von Gesten einsetzt. Ebenso aufstrebend: Sensorlösungen, die Autoreifen „intelligenter“machen und frühzeitig vor Aquaplaning warnen. Auch an den vermehrten Einsatz von Augmented Reality (AR), einer mit digitalen Inhalten erweiterten realen Welt, und speziellen Verschlüsselungstechnologien, die künftigen Supercomputern standhalten, glaubt man bei Infineon felsenfest.
Die Zukunft will der Konzern selbst mitgestalten: Ein Drittel der 860 in Linz, Villach oder Graz geplanten neuen Jobs in Forschung und Entwicklung ist dabei für die Steiermark vorgesehen. Kann Stefan Rohringer, der das Grazer Entwicklungszentrum seit 19 Jahren leitet, heute auf knapp 400 Mitarbeiter zurückgreifen, sollen es in drei bis fünf Jahren fast 700 sein. Nachdem Infineon erst im Mai bekannt gegeben hat, in Villach 1,6 Milliarden Euro in eine Chipfabrik zu investieren, wird also auch in der Steiermark kräftig ausgebaut. Der Spatenstich erfolgt im Frühjahr.