Mission Europa Der SP-Chef bewirbt sich um die gemeinsame europäische Spitzenkandidatur. Wir rekonstruieren die Wirren des Vortags.
Europas Sozialdemokraten äußern sich über Christian Kerns EU-Kandidatur genauso überrascht wie die Granden der SPÖ.
Salzburg zeigt sich von seiner schönsten Seite. Kein Wölkchen trübt den Himmel, die drückende Schwüle des Sommers ist längst der herbstlichen Milde gewichen. Langsam machen die Salzburger den Touristen das Straßenbild wieder streitig. Erst im nächsten Sommer werden sich wieder die Mozartbewegten im Pulk durch die Getreidegasse schieben, der sommerliche Rummel startet seinen Winterschlaf.
Der Innenhof der Abtei St. Peter ist zur Hälfte mit Polizeiautos zugeparkt. Ein Bus muss einen halben Meter zurückschieben, damit der überlange rote Teppich ausgerollt werden kann. Nicht einmal 40 Journalisten säumen das Absperrband, darunter 20 aus Österreich, die sich am Fuße des Mönchsbergs eingefunden haben. 1100 Medienvertreter aus aller Welt sind an die Salzach geeilt, das Treffen der Europäischen Sozialdemokraten findet nahezu unter Ausschluss der medialen Öffentlichkeit statt.
Von den sechs amtierenden Regierungschefs lassen sich nur drei blicken, der Schwede Stefan Löfven und der Spanier Pedro Sánchez verweigern trotz heftigen Insistierens der österreichischen Journalisten jeglichen Kommentar zur Kandidatur von Christian Kern. Die deutsche SPD-Chefin Andrea Nahles glänzt durch Abwesenheit, auch die Parteichefs aus Italien und Frankreich fehlen. Dafür schaute der Grieche Alexis Tsipras, dessen Bewegung nicht der Gruppe der EU-Sozialdemokraten, sondern der Linksfraktion angehört, in der Abtei vorbei. Luxemburgs Außenminister und SP-Chef Jean Asselborn gibt ein wenig den Takt vor, als er meint: „Christian Kern ist ein sehr guter Kandidat. Wir haben auch einen zweiten Kandidaten, und viel- leicht entwickelt sich noch was.“Auf die Frage, ob er Kern in seinen europäischen Ambitionen unterstütze, meint Asselborn diplomatisch: „So weit sind wir noch nicht.“
SPÖ-Chef Kern kündigt beim Eintreffen seine Bewerbung für höhere europäische Weihen an. Erst auf Nachfrage formuliert er den Satz, auf den vor allem die Kameraleute gewartet haben. „Sie verstehen mich richtig, dass ich dafür zur Verfügung stehe, aber es gibt andere Kandidaten auch.“Über Details will Kern nicht reden. „Wir haben
Wir müssen uns mit der Frage auseinandersetzen, welche Allianzen wir bilden können, um das Erbe unserer Gründerväter zu bewahren. Das ist das, worum es mir geht. Christian Kern begründet, warum er als EU-Spitzenkandidat in die
Wahl gehen will
eine Auseinandersetzung zu führen mit Kräften, die Europa zerstören wollen“, so Kern wieder grundsätzlich. „Wir müssen uns mit der Frage auseinandersetzen, was können wir tun, welche Allianzen können wir bilden, um das Erbe der Gründerväter zu bewahren. Das ist das, worum es mir geht.“
allen Wortmeldungen wird explizit auf das SP-interne Ausleseverfahren verwiesen. Vom 1. bis zum 18. Oktober können Bewerbungen für die EU-Spitzenkandidatur eingereicht wer- den, im November müssen sich alle Kandidaten einem Hearing in der SP-Fraktion unterziehen, die Entscheidung fällt am SPGipfel am 7. Dezember in Lissabon. Am Rande des Salzburger Treffens zeichnet sich ab, dass Kerns Kandidatur für Europa nicht von langer Hand vorbereitet war. Udo Bullmann, immerhin Chef der roten EU-Fraktion im EU-Parlament, berichtet freimütig, dass er am Vortag bei einem wichtigen Treffen in Athen weilte, als er plötzlich davon erfuhr, dass Kern Ambitionen auf Europa habe.