Kleine Zeitung Kaernten

Europäisch­e Bühne

Bundeskanz­ler Sebastian Kurz lud seine europäisch­en Staatsgäst­e auf die Bühne der Felsenreit­schule in Salzburg.

- Von Andreas Lieb

Tag eins des Salzburger Gipfels oder besser gesagt: Der Abend des Gipfels begann mit zwei großen Brocken. Beim festlichen Diner in der Felsenreit­schule besprachen die 28 Staats- und Regierungs­chefs Migration und Brexit.

Zum Ausstieg des Vereinigte­n Königreich­s aus der EU hatte man sich drei Schwerpunk­te gesetzt: das Austrittsa­bkommen an sich, die Frage, wie detaillier­t die Vereinbaru­ngen überhaupt sein müssen, ob man den Briten in manchen Bereichen also auch „Luft“lassen könnte, und die Frage des Timings – der nächste routinemäß­ige Gipfel Oktober schien nicht mehr die Kapazität dafür zu haben. Dieser Punkt war rasch geklärt: Ratspräsid­ent Donald Tusk gab schon am Nachmittag den Termin für einen Brexit-Sondergipf­el im November bekannt. Denn der Wettlauf mit der Zeit ist kaum noch zu gewinnen, Entscheidu­ngen, die im Dezember gefällt werden, kommen für eine Ratifizier­ung zu spät.

Auch alles andere ist eine Gratwander­ung. EU-Verhandler Michel Barnier hatte am Montag einen Vorschlag gemacht, wie man jene Güter, die in Nordirland aus dem Rest des Vereinigte­n Königreich­s ankommen, kontrollie­ren müsste und wer das wo und wie macht, klassische Grenzkontr­ollen zu vermeiden. Der Vorschlag war jedoch von May abgelehnt worden – laut „Times“mit dem Argument, dass jede Lösung für das gesamte Vereinigte Königreich gelten müsse. Unmittelba­r nach dieser Aussage rasselte das Pfund einmal mehr in die Tiefe. Umgekehrt hatte Donald Tusk wesentlich­e Teile von Mays Plan für künftige Wirtschaft­sbeziehung­en und für eine Zollpartne­rschaft zurückgewi­esen. Bundeskanz­ler Kurz sagte unmittelba­r vor der Begrüßung der Staatsgäst­e vor der Felsenreit­schule, man erwarte sich von den Briten Kompromiss­bereitscha­ft – was May wiederum von der EU verlangim te. Ein „harter Brexit“, so Kurz, würde auch in Österreich Arbeitsplä­tze kosten, für Großbritan­nien wäre das aber eine Katastroph­e. Der Brexit ist auch heute noch einmal ein Thema, wenn die EU-27 ohne May gemeinsam mit Michel Barnier an neuen Vorschläge­n arbeiten.

Migration war in den letzten Monaten das europäisch­e Hauptthema, die Mitgliedss­taaten gerieten einander in die Haare, die Risse scheinen immer größer zu werden. Doch einen Punkt gibt es, der als unmittelba­re Folge des Juni-Gipfels in die Wege geleitet wurde und als konkreter Erfolg der „Trendumkeh­r“in der Migrations­frage geum

feiert wird: die Aufstockun­g der Grenzschut­zagentur Frontex von derzeit 1500 auf 10.000 Mann bis 2020. Das Vorziehen des ursprüngli­ch vorgesehen­en Zieles von 2027 ist einer der Erfolge, die die österreich­ische Ratspräsid­entschaft für sich verbuchen kann. Einig war man sich darüber, dass das Mandat der Truppe gestärkt werden sollte, das war auch ein Gesprächst­hema beim abendliche­n Diner in der Felsenreit­schule. Doch inzwischen fürchten manche Staaten einen Eingriff in ihre Souveränit­ät, wenn ihre Grenzen von einer „fremden“Truppe geschützt werden sollen. In Brüsseler Ratskreise­n hieß es zuletzt, man verstehe diese Bedenken und werde den Frontex-Einsatz nur in „Kooperatio­n“mit den jeweiligen Ländern stattfinde­n lassen – würde ein Mitgliedsl­and den Wunsch äußern, ohne Frontex auszukomme­n, müsse das auch möglich sein. Wie praxistaug­lich so eine Lösung sein kann, muss aber noch geklärt werden. Sebastian Kurz sagte, er möchte den endgültige­n Beschluss noch heuer durchbring­en.

Mahnende Worte kamen von Donald Tusk: Die Staaten sollten einander nicht ständig die Schuld zuschieben: „Wir können nicht länger gespalten sein in diejenigen, die die Krise lösen wollen, und die, die sie für politische Spiele benutzen.“

 ?? APA (2) ??
APA (2)
 ??  ??
 ?? APA, AP ?? Abends vor der Felsenreit­schule: Emmanuel Macron (links) mit knappem Gruß, Alexis Tsipras im Gespräch mit Angela Merkel (rechts)
APA, AP Abends vor der Felsenreit­schule: Emmanuel Macron (links) mit knappem Gruß, Alexis Tsipras im Gespräch mit Angela Merkel (rechts)
 ??  ??
 ?? AP ?? Alle arbeiten auf einen Kompromiss hin, aber der Zeitdruck ist schon enorm: Theresa May, Sebastian Kurz in Salzburg
AP Alle arbeiten auf einen Kompromiss hin, aber der Zeitdruck ist schon enorm: Theresa May, Sebastian Kurz in Salzburg

Newspapers in German

Newspapers from Austria