Europäische Bühne
Bundeskanzler Sebastian Kurz lud seine europäischen Staatsgäste auf die Bühne der Felsenreitschule in Salzburg.
Tag eins des Salzburger Gipfels oder besser gesagt: Der Abend des Gipfels begann mit zwei großen Brocken. Beim festlichen Diner in der Felsenreitschule besprachen die 28 Staats- und Regierungschefs Migration und Brexit.
Zum Ausstieg des Vereinigten Königreichs aus der EU hatte man sich drei Schwerpunkte gesetzt: das Austrittsabkommen an sich, die Frage, wie detailliert die Vereinbarungen überhaupt sein müssen, ob man den Briten in manchen Bereichen also auch „Luft“lassen könnte, und die Frage des Timings – der nächste routinemäßige Gipfel Oktober schien nicht mehr die Kapazität dafür zu haben. Dieser Punkt war rasch geklärt: Ratspräsident Donald Tusk gab schon am Nachmittag den Termin für einen Brexit-Sondergipfel im November bekannt. Denn der Wettlauf mit der Zeit ist kaum noch zu gewinnen, Entscheidungen, die im Dezember gefällt werden, kommen für eine Ratifizierung zu spät.
Auch alles andere ist eine Gratwanderung. EU-Verhandler Michel Barnier hatte am Montag einen Vorschlag gemacht, wie man jene Güter, die in Nordirland aus dem Rest des Vereinigten Königreichs ankommen, kontrollieren müsste und wer das wo und wie macht, klassische Grenzkontrollen zu vermeiden. Der Vorschlag war jedoch von May abgelehnt worden – laut „Times“mit dem Argument, dass jede Lösung für das gesamte Vereinigte Königreich gelten müsse. Unmittelbar nach dieser Aussage rasselte das Pfund einmal mehr in die Tiefe. Umgekehrt hatte Donald Tusk wesentliche Teile von Mays Plan für künftige Wirtschaftsbeziehungen und für eine Zollpartnerschaft zurückgewiesen. Bundeskanzler Kurz sagte unmittelbar vor der Begrüßung der Staatsgäste vor der Felsenreitschule, man erwarte sich von den Briten Kompromissbereitschaft – was May wiederum von der EU verlangim te. Ein „harter Brexit“, so Kurz, würde auch in Österreich Arbeitsplätze kosten, für Großbritannien wäre das aber eine Katastrophe. Der Brexit ist auch heute noch einmal ein Thema, wenn die EU-27 ohne May gemeinsam mit Michel Barnier an neuen Vorschlägen arbeiten.
Migration war in den letzten Monaten das europäische Hauptthema, die Mitgliedsstaaten gerieten einander in die Haare, die Risse scheinen immer größer zu werden. Doch einen Punkt gibt es, der als unmittelbare Folge des Juni-Gipfels in die Wege geleitet wurde und als konkreter Erfolg der „Trendumkehr“in der Migrationsfrage geum
feiert wird: die Aufstockung der Grenzschutzagentur Frontex von derzeit 1500 auf 10.000 Mann bis 2020. Das Vorziehen des ursprünglich vorgesehenen Zieles von 2027 ist einer der Erfolge, die die österreichische Ratspräsidentschaft für sich verbuchen kann. Einig war man sich darüber, dass das Mandat der Truppe gestärkt werden sollte, das war auch ein Gesprächsthema beim abendlichen Diner in der Felsenreitschule. Doch inzwischen fürchten manche Staaten einen Eingriff in ihre Souveränität, wenn ihre Grenzen von einer „fremden“Truppe geschützt werden sollen. In Brüsseler Ratskreisen hieß es zuletzt, man verstehe diese Bedenken und werde den Frontex-Einsatz nur in „Kooperation“mit den jeweiligen Ländern stattfinden lassen – würde ein Mitgliedsland den Wunsch äußern, ohne Frontex auszukommen, müsse das auch möglich sein. Wie praxistauglich so eine Lösung sein kann, muss aber noch geklärt werden. Sebastian Kurz sagte, er möchte den endgültigen Beschluss noch heuer durchbringen.
Mahnende Worte kamen von Donald Tusk: Die Staaten sollten einander nicht ständig die Schuld zuschieben: „Wir können nicht länger gespalten sein in diejenigen, die die Krise lösen wollen, und die, die sie für politische Spiele benutzen.“