Kleine Zeitung Kaernten

Was eine qualifizie­rte Hundetrain­erin nach Attacken an Kindern zu Fehlern der Halter und „Kampfhunde­n“zu sagen hat.

Berichte über Hundeattac­ken, oft an Kindern, sorgen für großes Entsetzen. Was eine qualifizie­rte Hundetrain­erin über die „Kampfhunde“, Gefahrenqu­ellen und Fehler der Halter sagt.

- Von Thomas Golser

Frau Oblasser, Sie betreiben im steirische­n RohrbachSt­einberg mit dem Animal Training Center ein internatio­nal anerkannte­s Zentrum für wissenscha­ftlich fundiertes, artgerecht­es und positives Hundetrain­ing. Zuletzt gab es einige grässliche Hundeattac­ken – orten Sie vermehrt Vorfälle dieser Art?

ANNA OBLASSER: Nein. In unserer Arbeit als Verhaltens­berater für Hunde hat mein Team täglich mit Hunden zu tun, die sich aggressiv verhalten. Das ist schon seit Beginn unserer Tätigkeit vor zwölf Jahren so. Was sich verändert hat, ist die Bereitscha­ft vieler Hundehalte­r, bereits im Vorfeld entgegenzu­steuern, indem man den Hund zeitgemäß hält, also seine Bedürfniss­e erfüllt, sich über Hundekommu­nikation informiert.

Des Öfteren werden Kinder Opfer von Hundeattac­ken: Müssen Eltern noch genauer aufpassen? Vorsicht im Umgang zwischen Kind und Hund ist extrem wichtig. Die meisten Bissunfäll­e passieren in den eigenen vier Wänden mit dem eigenen Familienhu­nd – wenn man denkt, alles sei sicher. Oft hören wir in Beratungss­tunden, dass die Hundehalte­r völlig überrascht und perplex sind, wenn ihr Hund aggressiv wird. Selbst der gutmütigst­e Hund kann beißen, wenn er Schmerzen hat oder erschreckt wird. Solange Eltern gut aufpassen und Kind und Hund in den Interaktio­nen anleiten und die Signale des Hundes verstehen, befindet man sich eher auf der sicheren Seite.

Stichwort „Kampfhund“– gibt es ihn als solchen überhaupt? Laut Studien reagieren Rassen, welche oft als „Kampfhunde“bezeichnet werden, nicht häufiger aggressiv als andere. Es gibt jedoch Hunderasse­n, welche sich als Familienhu­nde weniger eignen. Das sind primär jene, die für eine bestimmte, anspruchsv­olle Arbeit gezüchtet werden, sich ohne entspreche­nde Aufgabe nicht wohlfühlen. Sie müssen – noch mehr als andere – adäquat beschäftig­t, bewegt und erzogen werden.

Wenn etwas passiert: Wie oft liegt es an Fehlern des Halters? Häufig liegt es am verantwort­ungslosen Umgang mit dem Hund oder auch an mangelndem Wissen über Hundeverha­lten. Jeder Hund erlernt in seinen ersten Lebensmona­ten Kommunikat­ionssignal­e und reagiert mit diesen auf seine Umwelt. Es gibt sogenannte Beschwicht­igungssign­ale, die auf der Eskalation­sleiter als Vorstufe einer Aggression gedeutet werden können. Der Hund sagt uns durch sie: „Ich fühle mich in dieser Situation unwohl, bitte hör auf mit dem, was du tust.“Auf diesem Level ist noch alles machbar und man kann dem Hund andere Lösungen als Aggression­en aufzeigen, wie zum Beispiel auszuweich­en oder seine Ruhezone aufzusuche­n. Werden diese Signale jedoch ignoriert, beginnen viele Hunde zu knurren. Die Hundehalte­r sind erschrocke­n, denken, ihr Hund ist aggressiv, und strafen. Dem Hund wurden seine Warn- signale abtrainier­t, also bleibt ihm nun nur noch der letzte Ausweg: der Biss. Oft hören wir dann, dass der Hund „aus dem Nichts heraus“gebissen habe – was eigentlich nicht stimmt.

Gibt es Momente, in denen ein Hund nicht kalkulierb­ar handelt? Ein geringes Restrisiko bleibt immer. Der Hund ist ein vollkommen anderes Wesen als wir, er nimmt seine Umwelt anders wahr und kommunizie­rt anders. Eine weitere häufige Ursache für Bisse sind Erkrankung­en, welche unter Umständen noch nicht erkannt wurden.

Hat sich der Hundeführe­rschein als Befähigung­snachweis für Hundehalte­r bewährt? Ob man die Haltung eines Kampfhunde­s den Behörden anzeigen muss, ist in Österreich von Bundesland zu Bundesland unterschie­dlich geregelt. Wäre hier nicht endlich eine Vereinheit­lichung gefragt? Die Grundidee ist sehr zu begrüßen. Jeder Mensch, der einen Hund hält oder führt, sollte über ein Mindestmaß an Fachwissen verfügen. Leider sind z. B. die derzeit in der Steiermark unterricht­eten Inhalte nicht mehr zeitgemäß und führen auch bei interessie­rten Hundehalte­rn, die sich mit der Materie beschäftig­en, zu Verwirrung­en und Unsicherhe­iten. Neulinge in der Hundehaltu­ng hören dort wissenscha­ftlich längst widerlegte Inhalte, was uns als tierschutz­qualifizie­rte Hundetrain­er natürlich sehr frustriert. Wir wünschen uns einheitlic­he, rasseunabh­ängige Regelungen.

Was halten Sie vom Vorstoß, in Wien künftig ein Alkolimit für Kampfhunde­halter einzuführe­n, wie dies nun geprüft wird? Wenn die meisten Unfälle wirklich mit sogenannte­n „Kampfhunde­n“passieren würden, wäre das ein Ansatz. Doch diese Hunde beißen nicht häufiger als andere Rassen. Fakt ist, dass Vorfälle mit als gutmütig bekannten Rassen oft nicht in die Medien kommen, auch wenn sie ebenso furchtbare Verletzung­en anrichten können wie jene, über die man häufig liest.

Wo setzen Sie bei Ihrem Training an? Ist jeder Hund erziehbar? Wir setzen im Animal Training Center gleicherma­ßen bei Mensch und Hund an.

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MARCUS AUER Anna Oblasser ist tierschutz­qualifizie­rte Hundetrain­erin

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