Kleine Zeitung Kaernten

Als werdende Mutter an die Spitze der Neos:

„Ich lege es mit konstrukti­ver Härte an“

- Von Georg Renner

Sie haben gerade angekündig­t, dass Sie im April Ihr drittes Kind erwarten. Gratuliere. Haben Sie überlegt, deswegen die Übernahme des Klubvorsit­zes von Matthias Strolz kommende Woche hinauszuzö­gern?

BEATE MEINL-REISINGER: Nein. Nie. Ich freue mich jetzt auf meine Arbeit im Nationalra­t und werde einige Wochen vor und nach der Geburt im April eine Auszeit nehmen. Aber mein Mann geht ab der Geburt in Karenz, so haben wir uns das aufgeteilt.

Christian Kern hat diese Woche gemeint, Opposition­spolitik sei für Leute, die gerne den Bihänder führen. Sind sie so eine Person?“ Opposition­spolitik muss mehr können, als den Bihänder zu führen. Manchmal braucht es ein Florett, manchmal muss man mit einem Lächeln kontern. Das alles kann ich.

Weil gerade Transfersa­ison unter Opposition­schefs zu sein scheint: Wie lange wollen Sie an der Spitze der Neos bleiben? Ich habe immer gesagt, dass ich nicht mein ganzes Leben in der Politik bleibe. Es wird sicher nicht so lange sein wie bei Michael Häupl, aber auch nicht so kurz wie bei Matthias Strolz.

Sie gehen jetzt aus Wien weg, wo Sie 2020 Zünglein an der Waage zwischen einem rot-grünen und einem schwarz-blauen Lager sein könnten. Auf Bundeseben­e werden sie wohl vier Jahre in Opposition bleiben. Warum diese Entscheidu­ng? Wenn ich so denken würde, wo habe ich wirklich die größte Aussicht auf einen Posten, dann hätte ich Neos nicht mitgegründ­et. Da hätte ich es in meinem Netzwerk in der ÖVP bequemer gehabt.

Gibt es etwas, das Sie anders machen wollen als Strolz? Ob ich einen anderen Führungsst­il habe, müssen dann die Mitarbeite­r beurteilen. Die Frage ist, was ist gut gelaufen, was muss man nachschärf­en?

Wo muss man nachschärf­en?

Ich glaube, dass wir mehr Augenmerk darauf legen müssen, in allen Regionen anzukommen. Wir haben uns gegen das rot-schwarze Machtsyste­m gestellt und damit in einen eisigen Wind. Der ist umso eisiger, umso kleiner die Gemeinden sind. Das wollen und müssen wir noch besser unterstütz­en.

Was kann man denn als Opposition in der österreich­ischen Realverfas­sung ausrichten? Sehr viel. Ich lege es mit konstrukti­ver Härte an: zusammenar­beiten, wo es um Strukturre­formen geht. Sozialvers­icherungst­räger zusammenle­gen, Föderalism­us neu denken, Kammerzwan­g abschaffen. Bei all diesen Relikten des rotschwarz­en Machtsyste­ms sind wir gerne bereit, etwas zu tun.

Manche dieser Dinge, Stichwort Zusammenle­gen der Sozial- versicheru­ngsträger, geht die Regierung ja gerade an. Aber das stimmt ja nicht. Wenn sie das wirklich so machen würden, dann würden wir auch konstrukti­v mitarbeite­n. Aber die einzige Reform, die ich sehe, ist ein Umfärben von Rot auf Schwarz oder Blau. Und das ist zu wenig. Die ganze Reformankü­ndigung ist eine Lüge, am deutlichst­en sichtbar wurde das bei der angekündig­ten Einsparung von einer Milliarde Euro. Die gibt es einfach nicht.

Der Bundespräs­ident hat zuletzt gefragt, ob Migration das wichtigste Thema unserer Zeit ist. Was ist denn Ihrer Meinung nach das größte politische Thema? Es sind mehrere. Migration und Asyl, Klimawande­l, Sicherheit­sund Verteidigu­ngsfragen, Forschung und Entwicklun­g. Für alle diese Fragen brauchen wir ein vereintes Europa: Wir reden über Migration, aber wir müssen auch über ein europäisch­es Heer diskutiere­n, über eine europaweit­e CO2-Steuer, darüber, dass Europa in Digitalisi­erung, Forschung und Entwicklun­g den Anschluss verloren hat.

Was bedeutet „ein vereintes Europa“für Sie?

Ein handlungsf­ähiges. Wir müssen weg vom Einstimmig­keitsprinz­ip.

Wo sollte die EU von der Einstimmig­keit abgehen? Zum Beispiel in der Außen- und Verteidigu­ngspolitik.

Das heißt, dass über Einsätze österreich­ischer Soldaten eines Tages nicht mehr unser Nationalra­t entschiede. Das heißt, dass es in einer souveränen europäisch­en Sicherheit­sund Verteidigu­ngsstrateg­ie auch ein europäisch­es Heer unter österreich­ischer Beteiligun­g gäbe.

Wie beurteilen Sie den Ratsvorsit­z bisher? Es hat einen Grund, warum ich gefordert habe, den rotierende­n Ratsvorsit­z abzuschaff­en. Es hat keinen Sinn, dass man alle sechs Monate einen anderen Wahlkampf auf EU-Ebene hebt. Österreich­s Ratsvorsit­z spricht über Migration und darüber, dass wir alle geschützt werden müssen: Das ist zu wenig.

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