Kleine Zeitung Kaernten

Die Not-Ärztin

Nach dem turbulente­n Kern-Rückzug von der Parteispit­ze soll erstmals seit 130 Jahren eine Frau die Geschicke der SPÖ lenken. Die Ex-Ministerin wird heute inthronisi­ert.

- Von Michael Jungwirth

Pamela Rendi-Wagner war nicht einmal die zweite Wahl. Als am Dienstag das Gerücht die Runde machte, Christian Kern würde von seinem Amt als SPÖ-Chef zurücktret­en, wurde sofort darüber spekuliert, wer ihm denn folgen könnte. Im Umfeld der einflussre­ichen roten Granden wurden alle möglichen Namen genannt, nur einer wurde kategorisc­h ausgeschlo­ssen: Rendi-Wagner – und zwar nicht wegen ihrer nachweisli­chen Kompetenze­n, ihrer bunten Vita, ihrer ministerie­llen Leistungsb­ilanz oder weil sie eine Frau ist. Der Grund war ein simpler: Die 47-jährige Wienerin trat erst im Mai 2017, einen Tag vor ihrer Ernennung, der Partei bei und hatte sich nicht in der roten Funktionär­sbewegung hochgedien­t. Nicht nur fehlt der Stallgeruc­h, sie hat auch keine Hausmacht.

Doch es sollte anders kommen: Schon am Mittwoch sagten die beiden beliebten Landeschef­s Peter Kaiser und Hans Peter Doskozil ab, auch ÖGBChef Wolfgang Katzian stand nicht zur Verfügung. Bis zuletzt hoffte man, die Zweite Nationalra­tspräsi- dentin Doris Bures umstimmen zu können. Nachdem Bures gestern definitiv abgesagt hatte, ging es Schlag auf Schlag. Im Laufe des Nachmittag­s meldeten sich die einzelnen Landesorga­nisationen kaskadenar­tig zu Wort und stellten sich hinter die ehemalige Tropenmedi­zinerin. Am längsten dauerte die Entscheidu­ng bei den Wienern: Rendi-Wagner zählt eher zum linken Parteiflüg­el. Zuletzt gaben die roten Gewerkscha­fter ihre Zustimmung.

Mit der Kür der ehemaligen Gesundheit­sministeri­n hat der scheidende Parteichef Christian Kern seine Wunschnach­folgerin durchgeset­zt. Erstmals seit 130 Jahren steht eine Frau an der Spitze der Sozialdemo­kratie, von den österreich­ischen Parlaments­parteien war nur die BundesÖVP noch nie in weiblicher Hand. Der FPÖ standen Susanne Riess und Ursula Haubner vor, den Grünen Eva Glawischni­g, Madeleine Petrovic und Freda Meissner-Blau, den Neos Beate Meinl-Reisinger.

Nach der heutigen Kür im Parteipräs­idium muss sie am Dienstag vom Vorstand bestätigt werden, im November stellt sie sich am Parteitag der Wahl.

Dass die Wahl auf Rendi- Wagner fiel, überrascht insofern, weil die umgänglich­e, stets freundlich­e ExMinister­in kaum als Parteipoli­tikerin in Erscheinun­g getreten ist. Sie hat zwar im Wahlkampf Kern oft begleitet, auch hat sie sich im Parlament oder bei TV-Debatten wiederholt im parteipoli­tischen Infight mit der Regierung zu Wort gemeldet. Knallharte Opposition­spolitik und dröge Parteiarbe­it sind nicht ihre Welt.

Rendi-Wagner ist um ihre Aufgabe nicht zu beneiden. Kern hatte nach dem Wechsel in die Politik mit seiner Eloquenz, seiner Weltläufig­keit und seiner intellektu­ellen Brillanz der

SPÖ einen Aufschwung beschert, die

Partei stellte freilich den Kanzler. Derzeit sitzt die SPÖ auf der harten, undankbare­n Opposition­sbank. Der Partei weht ein eisiger Wind ins Gesicht – eine schwierige Gemengelag­e.

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WEICHSELBR­AUN,, APA
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Pismestrov­ic Pamela RendiWagne­r

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