Durchhalteparolen vor dem Union Jack
Theresa May gibt sich nach dem für sie desaströsen Gipfel in Salzburg hart. Doch der Ast, auf dem die britische Premierministerin sitzt, ist kurz.
Gleich zwei Union-JackFahnen hatte Theresa May trotzig hinter sich an der Wand, als sie gestern in Downing Street No. 10 ganz ohne Vorwarnung eine Erklärung zur Verhandlungslage mit der EU nach ihrer Rückkehr vom Salzburger Gipfel abgab.
Und ebenso trotzig war ihr Ton, war ihre Botschaft an die Europäer, die ihr und ihrem Land gefälligst „Respekt“entgegenbringen sollten: Sonst gebe es beim Brexit „keinen Deal“.
Sichtlich getroffen von der Abweisung durch die EU tags zuvor, suchte sich die Premierministerin mit neuer Autorität zu rüsten. Dass die Brexit-Verhandlungen „total ins Stocken geraten“seien, räumte sie ein.
Allerdings, beteuerte sie, habe sie keine andere Wahl, als an ihrem „Chequers-Plan“festzuhalten. Weder ein britischer Verbleib im EU-Binnenmarkt – ein „weicher“Brexit – noch die Reduktion der künftigen Beziehung zur EU auf einen Freihandelsvertrag – die „harte“Variante – lösten die Probleme, die sich mit dem Brexit stellten. Sie sei fest entschlossen, sagte May, das Referendumsergebnis von 2016 respektieren und dafür zu sorgen, dass keine „harte“Grenze in Irland entstehe. Mit ihrer Erklärung suchte May die Eindrücke des Vortags zu verwischen und der eigenen Partei zu signalisieren, dass sie sich nicht abbringen lasse von ihrem Kurs.
Brexit-Hardliner und ToryNationalisten hatten nach ihrer Rückkehr aus Salzburg den Abbruch der Verhandlungen mit der EU gefordert. Für die britische Rechte war die „Demütigung“der Premierministerin beim Gipfel typisch für europäische „Hinterhältigkeit“.
Von „wenig staatsmännischem“Verhalten sprach auch Dominic Raab, Mays Brexit-Minister. London werde „die Ruhe bewahren. Man müsse sich aber fragen, „wie ernst“es der EU mit den Verhandlungen sei.
„Das erinnert nur daran, warum so viele Wähler für den Austritt aus der EU gestimmt haben“, klagte der frühere konservative Parteichef Iain Duncan Smith. „Die Leute haben mehr als genug von der diktatorischen, herrischen Art der EU.“Ex-Minister Stephen Crabb fand, Salzburg bringe Leute wie ihn zur Überzeugung: „Je Von unserem Korrespondenten schneller wir aus diesem Zirkus raus sind, desto besser für uns.“Vom „Hinterhalt der EU-Mobster“und gar von „dreckigen EURatten“war im Boulevardblatt „The Sun“die Rede: „Wir können es kaum erwarten, uns von all dem endlich zu befreien.“
der Brexiteers stand zu erwarten – zumal Frankreichs Staatspräsident Emmanuel Macron ihre Wortführer in Salzburg „Lügner“genannt hatte. Dass Ratspräsident Donald Tusk Theresa May beim informellen Gipfel mit dem unverblümten Urteil überraschen würde, ihr Plan fürs künftige Verhältnis Großbritanniens zur EU werde „nicht funktionieren“, war so nicht einkalkuliert worden von May.
Die Britin hatte geglaubt, dass die EU ihr in Salzburg mit ein paar diplomatischen Floskeln helfen würde, wenigstens auf dem Tory-Parteitag ab übernächstem Sonntag über die Runden zu kommen. Sie hatte darauf vertraut, dass die EUSpitzen sagen würden, Mays „Chequers-Plan“sei eine Verhandlungsbasis. Und dass sie bereit seien, Entscheidungen erzu neut aufzuschieben. Stattdessen stieß die EU May vor den Kopf.
Die Premierministerin findet sich in keiner beneidenswerten Lage. Die meisten Politiker in London geben ihrem „Chequers-Plan“keine Chance mehr. Andere Wege hingegen, und auch ein zweites Brexit-Referendum, hat May ja mehrfach abgelehnt, zuletzt am Freitag.
Selbst dass sie den 3,8 Millionen EU-Bürgern in Großbritannien am Donnerstag versicherte, sie dürften nach dem Brexit auf jeden Fall im Land bleiben, klang eher pessimistisch – nach der Erwartung eines Scheiterns der Verhandlungen. Das Pfund sackte nach Mays Erklärung ab. Auf der Insel befürchtet man nach Salzburg nun das Schlimmste.