Kleine Zeitung Kaernten

Kaltschnäu­zig, hartherzig, skandalös

Zumindest die unbegleite­ten Minderjähr­igen sollen versorgt werden? Zumindest?

- Von Mensch zu Mensch Carina Kerschbaum­er carina.kerschbaum­er@kleinezeit­ung.at

Sie haben sich ins Herz gebohrt, die Augen von Josefa, jener Afrikaneri­n, die im Mittelmeer in letzter Minute gerettet wurde. Eine Frau, die sich geweigert hatte, in jenes Boot zu steigen, das sie nach Libyen zurückgebr­acht hätte. Ihre Hoffnung, gerettet zu werden, hat sich erfüllt. Stundenlan­g hat sie sich an ein Brett geklammert, bevor sie von Rettern in ein Schlauchbo­ot gezogen wurde. Und fotografie­rt wurde. Ein Foto, das ihre aufgerisse­nen, verängstig­ten Augen zeigen. Ein Foto könne mehr ändern als 100 Bücher, hat Neil Postman immer geraten. Es fällt schwer, angesichts solcher Augen sich vor ein Mikrofon zu stellen und kühl zu erklären, Migranten müssten in „Anlandezen­tren“zurückgesc­hickt werden. EUKommissi­onspräside­nt Juncker hat wiederum gestern Länder wie Ungarn aufgerufen, „zumindest unbegleite­te Minderjähr­ige zu versorgen“. Womit die Botschaft klar ist: Wer Flüchtling­e nicht aufnehmen will, ist hartherzig. Ist das so?

E in deutscher Soziologe hat jetzt gefordert, Fragen der Flucht und Migration nicht nur im Modus der Barmherzig­keit zu diskutiere­n. Denn es seien nicht die Schwächste­n, die es nach Europa schaffen, sondern meist die Stärksten. Er wird recht haben, Josefa dürfte die Ausnahme sein. Eine Ausnahme wie Babys, die von Schleppern bevorzugt der Weltöffent­lichkeit gezeigt werden. Josefa appelliert an unser Herz. Wie jedes verhungern­de Kind. Aber über sie wurde beim EU-Gipfel nicht gesprochen. Das Gala-Essen hätte auch nicht mehr geschmeckt beim Gedanken, dass gleichzeit­ig Hunderte Kinder an den Folgen von Hunger starben. Alle fünf Sekunden eines. Sie schaffen es auf kein rettendes Schiff und keinen EUGipfel. Weil sie abseits von Kameras still und leise leiden und sterben. Sie sind kein Thema. Ja, das ist kaltschnäu­zig, hartherzig, skandalös.

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