„In der Politik schämt man sich für nichts mehr“
Christian Kerns Brüsseler Ambitionen werten Leserinnen und Leser als symptomatisch für den Werteverfall in der Politik.
Kern in Brüssel – der Weg ist ein steiniger“, 20. 9., „Maaßen geht – und die Koalition ist der Verlierer“, 19. 9.
Kann man den Wählern inzwischen alles zumuten? In Österreich ist Herrn Kern die Rolle als Oppositionsführer zu anstrengend – er ernennt sich selbst zum Spitzenkandidaten der SPÖ für die Wahl zum EU-Parlament im nächsten Jahr. Bestimmt strebt er an, als Spitzenkandidat der Sozialisten in Europa (SPE), dann sogar Aussicht auf den Posten des EU-Präsidenten als Nachfolger von Juncker zu haben. Natürlich ein Traumjob: viel Ehre, viel Einkommen, wenig Verantwortung. („Ausführen“müssen die Mitgliedsstaaten, die EU-Kommission macht meistens nur „Vorschläge und Empfehlungen“).
In Deutschland wird der Chef des Verfassungsschutzes, HansGeorg Maaßen, abgesetzt – und wird Staatssekretär im Innenministerium! Eine höhere Position mit höherem Gehalt (statt „rausgeschmissen“„hochgeschmissen“?) Um den Posten eines Staatssekretärs für Herrn Maaßen freizumachen, wird von Minister Seehofer der aner- Fachmann für Wohnungsbau, Staatssekretär Adler, in den „einstweiligen Ruhestand“versetzt. Der Steuerzahler bezahlt natürlich das Gehalt weiter, aber das spielt offenbar bei den sprudelnden Steuereinnahmen keine Rolle.
In der Politik schämt man sich für nichts mehr – und die Wähler bestrafen dieses Verhalten anscheinend auch nicht mehr.
Größenwahn
Da hat Herr Kern aber nicht nur die Parteigenossen, sondern auch die Bürger und Medien aufgescheucht! Dass Herr Kern sich seines glücklosen Jobs als Parteivorsitzender und Oppositionsführer entledigen will, ist ja zu verstehen, dass er aber glaubt, in Brüssel als dort abgestempelter Versager sogar die Nachfolge des Präsidenten Dr. Juncker zu beanspruchen, ist wohl nur mit Größenwahn zu erklären. Oder denkt Herr Kern, was in Deutschland bei Herrn Maaßen geht, muss auch bei ihm gehen, nur halt gleich die letzte Stufe der Besten zu erklimmen?
Wir Bürger haben jedenfalls von Herrn Kern und den Politi- kern, die nur für sich und ihre Mehrfachjobs etwas tun, genug.
Franz-Peter Jelly, Vorderberg
Irgendwas mit EU
Das kennt man ja schon. Das Ungewöhnliche und Neue an der Geschichte ist lediglich, dass Christian Kern nicht von seinen Parteigenossen nach dem Dilbert-Prinzip nach oben gelobt wird, sondern dass er das selbst macht. Ein echter Macher. Aber die Entscheidung ist sehr logisch: Von Brüssel aus kann man mehr gegen die unerwünschte Regierung in Österreich ausrichten und erspart sich zudem den anstrengenden Weg zurück in die Regierung.
Ing. DI (FH) Bernhard
Rössmann, Hart bei Graz
Führungslos
So schnell kann‘s gehen und aus der SPÖ wird eine führungslose Partei. Schnelles, entschlossenes Handeln ist gefragt, um Einigkeit zu beweisen und um nicht als Chaostruppe dazustehen. Kern versucht irgendwie, sein Gesicht nicht zu verlieren, und fordert seine Partei – wahrscheinlich ein letztes Mal. Egal, was passiert, die politischen Gegner werden sich ins Fäustkannte