Kleine Zeitung Kaernten

Fall Kern und die Transparen­z

Pleiten, Pech und Pannen rund um den Abgang des SPÖ-Chefs sollten für Parteien wie Medien ein Wendepunkt sein.

- Von Peter Plaikner

Der Fall Kern ist ein Musterbeis­piel dafür, wie das Tempodikta­t der Digitalisi­erung jeden Beteiligte­n überforder­t.

Das gilt für Absender, Vermittler wie Adressaten. Politik, Medien und Publikum leiden unter einer sinnentlee­rten Nutzung der neuen technische­n Kommunikat­ionsmöglic­hkeiten. Wenn dies nicht zu einer weiteren Beschädigu­ng der für eine demokratis­che Gesellscha­ft notwendige­n Abläufe führen soll, benötigt es vor allem eine inhaltsbez­ogene Entschleun­igung.

Sowohl politische Kommunikat­ion als auch traditione­lle Medien sind auf dem Holzweg, wenn sie schneller als Social Media sein wollen. Der Tempowahn von Schwarmint­elligenz bietet lediglich ideale Einflugsch­neisen für Desinforma­tion. Auch für diese Form von parteilich­er Kommunikat­ion ist der Fall Kern prototypis­ch. Der Verräter in der SPÖ hatte die Tempokonku­rrenz der Medien gut kalkuliert.

Ausgangspu­nkt und Folgewirku­ng waren nicht das Ergebnis mangelnder Profession­alität, sondern falscher Priorität: Schnelligk­eit vor Sicherheit. Jede Panne auf diesem Parcours senkt die Glaubwürdi­gkeit der Teilnehmer. Dabei genießen Parteien längst noch weniger Vertrauen als Social Media. Medien gelten als deutlich zuverlässi­ger. Deshalb stehen sie im Visier der Populisten.

Der Fall Kern sollte ein Wendepunkt sein, um wieder die Spreu vom Weizen zu trennen. Ein Ansatz dazu sind Entschuldi­gungen. Öffentlich­es Eingeständ­nis von Fehlern senkt nicht die Glaubwürdi­gkeit, sondern hebt sie. Noch wirkungsvo­ller ist, was Georg Renner von der Kleinen Zeitung auf Facebook gepostet hat: Unter „Das war kein Glanzlicht meiner Arbeit heute“schildert er detaillier­t seine vergangene­n Stunden als Online-Redakteur und reflektier­t, was er wie hätte besser machen können.

Das Echo auf sein Bekenntnis war überragend positiv. Totale Transparen­z ist die bestmöglic­he Vertrauens­sicherung – für Medien wie Parteien. So weit ist die SPÖ noch nicht. Sie hinkt aber auch nicht derart hinter der Botschafts­kontrolle der ÖVP zurück, wie der Anlass vermuten ließ. Bis zu Kurz war die Kommunikat­ion der Volksparte­i mindestens so fehleranfä­llig wie jene der Sozialdemo­kratie.

Die viel zitierte Message Control der Regierung, wie große Unternehme­n sie als Selbstvers­tändlichke­it pflegen, ist in der Politik deshalb so selten, weil sie neben Selbstdisz­iplin straffe, autoritäre Hierarchie­n benötigt. Je demokratis­cher und individual­istischer eine Partei intern agiert, desto weniger kann das extern funktionie­ren. Das Transparen­zmodell ist eine erprobensw­erte Alternativ­e.

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APA Medienbera­ter Peter Plaikner

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