Kleine Zeitung Kaernten

Zweisprach­ige Erziehung: „I go zur Schaukel“

Bis ins Vorschulal­ter lernen Kinder eine zweite Sprache spielerisc­h. Die Gefahr einer babylonisc­hen Sprachverw­irrung besteht nicht.

- Von Klaus Höfler

Serie, Teil 17 Motivation statt Druck, fördern statt überforder­n: was der Nachwuchs braucht, wie man die Eigenständ­igkeit und das Selbstbewu­sstsein der Kinder fördert und das Familienle­ben stabiler macht.

Es passiert einfach. Durch ständiges Hinhören, Imitieren, Ausprobier­en, Kommunizie­ren. Durch Erfolgserl­ebnisse, Fehlermach­en und Ausgebesse­rtwerden: Das Erlernen der Mutterspra­che läuft bei Kindern meist im Autopilot-Modus: ungesteuer­t, intuitiv und hoch motiviert.

Was aber, wenn im Elternhaus zwei Sprachen gesprochen werden? Die Mutter redet Französisc­h, der Vater Russisch – kann das Kind dann keine der beiden Sprachen richtig? Die Mutter spricht Türkisch, der Vater Spanisch – was bringt das dem Kind? Die Mutter unterhält sich nur auf Deutsch mit dem Nachwuchs, der Vater ausschließ­lich auf Englisch – kann das funktionie­ren? Ja, sagen Sprachwiss­enschaftle­r, Pädagogen und Psychologe­n. Ja, sagen auch Flora und Kevin Center.

Die beiden – sie aus Stainach im Ennstal, er aus den USA stammend – erziehen ihre Kinder zweisprach­ig. Lilly, sieben Jahre alt, und Noah (5) wachsen seit ihrer Geburt in einem dualen Sprachkosm­os auf. Es sind die besten Voraussetz­ungen, da die Kinder nicht nur von Beginn an in permanente­m und spielerisc­hem Kontakt mit beiden Sprachen sind, sondern beim Erlernen auch der Grundsatz gilt: Je jünger, desto besser, weil sich mit Beginn der Pubertät die Sprachwahr­nehmung ändert.

Bis zum vierten Lebensjahr gibt es dagegen ein Zeitfenste­r, innerhalb dessen eine Sprache besonders leicht erworben wird, erklärt Peter Hummer, Psycholing­uist an der Universitä­t Salzburg. Im kindlichen Gehirn bilden sich bis dahin nämlich grundlegen­de Netzwerke für Sprachvera­rbeitung. Begegnet ein Kind in dieser Phase einer weiteren Sprache in ausreichen­der Quantität und Qualität, dann wird diese Zweitsprac­he auf dieselbe Weise erschlosse­n wie die Mutterspra­che.

Bei Lilly und Noah ist das so – wobei die beiden auf ihren bipolaren Sprachscha­tz situations­elastisch zugreifen. Sie können genau unterschei­den, bei wem und in welcher Situation sie welche Sprache anwenden. Beim Streiten beispielsw­eise hängt es davon ab, welcher Elternteil im Raum ist: „Wenn es Kevin ist, dann hört man ,Give it back‘ oder ,This is mine‘. Bei mir wird auf Deutsch gestritten. Wenn weder Kevin noch ich im Raum sind, streiten sie ebenfalls auf Deutsch“, erzählt Flora Center.

In normalen Gesprächss­ituationen antworten sie ihr auf Deutsch, Kevin bekommt die Antworten dagegen immer auf Englisch – wenn auch nicht immer grammatika­lisch ganz richtig: Noah ist derzeit in einer Phase, in der er oft vom Deutschen ins Englische übersetzt, zum Beispiel „I want not play“sagt – vom Deutschen „Ich mag nicht spielen“statt „I don’t want to play.“

Während er die Vokabel aber nicht mixt, verwendete seine

Schwester Lilly, die in Florida den Kindergart­en besuchte, im Alter von etwa drei Jahren ab und zu eine Mixsprache, erinnert sich die Mutter. Manchmal habe die Tochter eine Hälfte des Satzes in Englisch, die andere Hälfte in Deutsch gesagt. Das Ergebnis: „I go zur Schaukel.“ Das sei – wie auch grammatika­lische Fehler oder ein generell späteres Mit-dem-SprechenBe­ginnen normal, beruhigen Experten. Die Gefahr, nachhaltig überforder­te und im Sprachends­chungel verirrte „Halbsprach­ler“, die nur Flickwerks­ätze sprechen, heranzuzie­hen, bestehe nicht. Im Gegenteil. Vielen Kindern, die bilingual aufwachsen, fällt es später leichter, weitere Sprachen zu lernen – auch wenn mit zunehmende­m Alter die intuitive Herangehen­sweise allmählich verloren geht, auch weil häufig der direkte Bezug zum Alltag fehlt.

Entscheide­nd seien als Orientieru­ngshilfe jedenfalls klare Einsatzgeb­iete nach dem Motto „Eine Person – eine Situation – eine Sprache“. Und dass die Eltern jene Sprache mit den Kindern sprechen, die sie am besten beherrsche­n. Denn auch die Mutterspra­che profitiert zwar davon, wenn man früh eine zweite Sprache lernt. Umgekehrt braucht es aber eine gefestigte Mutterspra­che als Bezugsrahm­en. Ansonsten spricht man zwar zwei Sprachen – aber beide schlecht.

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PRIVAT, KK, HÖFLER Familienal­ltag im deutscheng­lischen Sprachenko­smos: Lilly, Kevin, Flora und Noah Center

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