Das Alter ist schön
Schönheit als Alternative zu Resignation im Alter, Erntedank statt Pessimismus? Antworten von Psychotherapeut Arnold Mettnitzer im Vorfeld des „Internationalen Tags der älteren Menschen“am 1. Oktober.
In Ihrem geplanten Vortrag am „Internationalen Tag der älteren Menschen“werden Sie unter anderem über die Schönheit im Alter referieren. Wie begegnen Sie jemandem, der überzeugt ist, das Alter mache nicht schöner und bringe Schmerzen mit sich?
ARNOLD METTNITZER: Es gibt so viele Wahrnehmungsmuster, wie es Lebensmuster gibt. Im Erfahrungspool anderer Menschen werde ich immer etwas finden, was ich selbst noch nicht gefunden habe. Mit meinem Vortrag möchte ich aber auf das schauen, was oft in der aufkommenden Panik der ersten weißen Haare übersehen wird – die Schönheit als Alternative zur Resignation im Alter. Ich plädiere dafür, das Alter unter dem Gesichtspunkt des Erntedankes zu betrachten, nicht unter dem Fokus des Vergangenen, weil es blind macht für das, was da noch kommen kann.
Was kann denn noch kommen?
Knut Hamsun sagte: „Das Alter macht alt, sonst gar nichts.“Demgegenüber stehen die Italiener: „Das Alter ist die Transparenz des Lichts.“In dieser Mentalität habe ich einen Großteil meiner bewussten Jugend verbracht, das ist die weit bessere Alternative als die norwegische, depressiv stimmende Perspektive eines Knut Hamsun. Auf der einen Seite Pessimismus, auf der anderen Lebensqualität, Reife, Bedächtigkeit, Leisertreten, Erntedank. Man kann verweilen, von innen her verkosten.
Menschen mit einem erfüllten Leben können Erntedank feiern – was aber, wenn das Leben bislang nicht sehr positiv erlebt wurde?
Wenn jemand sein Leben lang auf etwas gewartet hat, was nie eingetreten ist, dann wird er mürrisch, misanthropisch werden und den Rest der Welt für das entgangene Glück verantwortlich machen. Aber die glücklichen Momente unseres Lebens haben wir uns in der Regel nicht konstruiert, sondern dankbar davon berichtet, was einem geschenkt worden ist. Warum soll das in der letzten Etappe unseres Lebens nicht genauso, wenn nicht besser möglich sein?
Wie kann man für sich selbst Frieden mit dem Alter finden, wenn man Schicksalsschläge erleiden musste?
Um es mit John Lennon zu sagen: Die Grammatik des Lebens ist immer das, was passiert, während ich andere Pläne schmiede. Wichtig ist, sich darauf einzustellen, dass ich nicht der Macher meines Lebens bin, es nicht allein das Produkt meiner Tüchtigkeit ist. Darum halte ich es mit vielen geistlichen Meistern: Die Grunderfahrung der Lebendigkeit ist die Dankbarkeit. Jeder Atemzug, der mir
im gesunden Zustand möglich ist, ist ein Geschenk. Das ist auch eine Form des Genusses: Du weißt, dass du keinen Anspruch darauf hast, aber wenn es dir geschenkt ist, dann nimm es! Warte nicht auf das, von dem du hoffst, dass es noch kommen muss, damit du am Ende sagen kannst, dein Leben sei geglückt.
Welches Rezept „verschreiben“Sie denn älteren Menschen, die zu verzweifelt sind, die schönen Seiten zu sehen?
Ein Rezept, das seit der Antike funktioniert, heißt: Zuerst heile durch das Wort. Das erste Medikament psychotherapeutischer Behandlung ist, Menschen Mut zu machen, den Mund aufzutun und ihre Geschichte zu erzählen. Ihnen zuzuhören, über den üblichen Small Talk hinaus auf sie einzugehen.
Viele ältere Menschen leiden unter Einsamkeit – was halten Sie von Alters-WGs?
Großartig! Das könnte sehr spannend sein.
Mitunter fehlt das Verständnis der jüngeren gegenüber der älteren Generation – und umgekehrt. Wie kann es gelingen, Brücken zu schlagen?
Im sozialpolitischen Bereich sehe ich gute Ansätze, wenn etwa Geriatriezentren mit Kindergärten kombiniert werden. Alteren Menschen wird in Erin- nerung gebracht, wie sie einmal waren, Kindern die Aussicht auf das, was sie einmal sein werden, täglich vor Augen führt – mit gegenseitiger Bereicherung. Wir scheinen diesbezüglich emotional klüger geworden zu sein, jedenfalls ist das meine Hoffnung, dass wir täglich etwas voneinander lernen können.
Was bräuchte es noch dazu?
Die Zeit, die das kostet. Wir bräuchten im Alter, im menschlichen Miteinander, auch die Kunst, etwas zu finden, wofür wir uns restlos begeistern. Wenn das mit einem anderen Menschen zu tun hätte, hätten wir in allen Altersstufen gewonnen.