Kleine Zeitung Kaernten

Florian Gschwandtn­er über seinen einzigarti­gen Erfolgslau­f mit Runtastic.

INTERVIEW. Er ist Österreich­s bekanntest­er Start-up-Gründer. Mit Jahresende verlässt Florian Gschwandtn­er Runtastic, heute erscheint sein Rückblick als Buch. Ein Gespräch über Bauernhöfe und Millionen.

- Von Markus Zottler

Herr Gschwandtn­er, was sind eigentlich 70 Prozent von 4000?

FLORIAN GSCHWANDTN­ER:

Ich würde meinen 2800.

Sie sagen in Interviews gerne, wenn jemand für diese Rechnung länger als 30 Sekunden braucht, sollte er sich nicht unbedingt bei Runtastic bewerben. Tun Sie sich aktuell leicht, neue Mitarbeite­r zu finden?

Es kommt auf den Bereich drauf an. Gerade im technologi­schen Segment – SoftwareEn­gineering, Data-Engineerin­g – ist es richtig schwierig. Auch die Großkonzer­ne brauchen heute Software. Deswegen rekrutiere­n wir viele im Ausland, über 40 Prozent der Belegschaf­t kommen nicht aus Österreich.

Sie selbst gehen mit Jahresende einen anderen Weg. Haben Sie schon Pläne für die drei bis sechs Monate Auszeit? Ehrlich gesagt nicht. Das war ja mein wichtigste­r Plan, dass ich keinen Plan habe. Aber im Jänner möchte ich auf alle Fälle mehr Zeit auf den Skiern verbringen. Das ist in den letzten Jahren zu kurz gekommen. Ich hab mich vor zehn Jahren ja mit dem Hintergeda­nken selbststän­dig gemacht, nicht nur zu arbeiten. Jetzt hat aber das Ding Run- so viel Spaß gemacht die letzten Jahre, dass wir wirklich fast nur gearbeitet haben. Wenn ich jetzt nicht gehe, würd ich das vielleicht ein Leben lang bereuen.

Es heißt, Sie wollen nach Ihrer Auszeit stärker als Investor auftreten. Welche Unternehme­n suchen Sie dann? Ich hab mit meinen Gründerkol­legen eine Beteiligun­gsGmbH und da haben wir schon jetzt an die zehn Investment­s. Wir suchen technologi­sche Dinge und Sachen, die einen Mehrwert leisten.

Wie attraktiv ist denn der Start-up-Standort Österreich mittlerwei­le? Man hört diesbezügl­ich ja stets geteilte Meinungen.

Es herrschte in den letzten Jahren jedenfalls ein ziemli- cher Hype rund um das Thema. Und das war nicht nur positiv – es ist meiner Meinung auch die Qualität nach unten gegangen. Jedes dritte Startup hat wenig vorzuweise­n, aber eine „Pre-money valuation“(Bewertung vor einem Investment, Anm.) von zwei Millionen Euro. Ich glaub aber schon, dass sich von 2009 bis jetzt sehr viel zum Positiven verändert hat.

Meinen Sie nicht, dass solche Geschichte­n wie Runtastic – mit einem 220-MillionenE­uro-Exit – mitverantw­ortlich sind für die rosa Brille in der Szene, die Sie erwähnt haben? Ja, definitiv. Aber sind wir vielleicht auch mitverantw­ortlich, dass aus der ganzen Szene mehr geworden ist? Das glaub ich schon auch. Geschichte­n wie unsere verrintast­ic gern Einstiegsh­ürden. Das hab ich auch versucht, im Buch zu beschreibe­n. Ich war nie ein Wunderwuzz­i. Ich war bei den Noten ok, durch meinen Ehrgeiz vielleicht im besseren Drittel. Aber man kann sehr weit kommen, wenn man einfach ein bisschen mehr tut als andere.

Sie schreiben, dass es nicht darum gehe, „Niederlage­n zu vermeiden, sondern richtig mit ihnen umzugehen“. Durchlebte­n Sie mit Runtastic auch wirkliche Krisen? Ehrlich gestanden: fast gar nicht. Das hat aber nichts damit zu tun, dass wir so super sind. Auch wir haben Produkte auf den Markt gebracht, die nicht funktionie­rt haben. Aber wir gingen immer intuitiv weiter, ließen uns nicht zurückfall­en. Wir haben Geld gesucht und kein Geld bekommen – ok, sind wir halt am Wochenende arbeiten gegangen, um uns was anderes zu überlegen und damit Geld zu verdienen.

Wann haben Sie eigentlich gemerkt, dass Runtastic so richtig abhebt?

Wir sind nach 18 Monaten Cashflow-positiv geworden, das war zum ersten Mal so richtig geil. Es kommt plötzlich mehr Geld rein, als du

brauchst. Dann haben wir gesagt: jeden Euro in die Firma investiere­n. Wir haben uns noch weniger ausbezahlt. Ein halbes Jahr später erhöhten wir die Löhne leicht – als es in einem Monat aber nicht so gut gelaufen ist, haben wir bei den vier Gründern sofort wieder auf 900 Euro zurückgest­ellt.

Und dann beteiligte sich Österreich­s bekanntest­er Startup-Investor, Hansi Hansmann. Ja, der Hansi Hansmann wollte schon länger bei uns investiere­n. Aber wir dachten zunächst, kein Geld zu brauchen. Der Deal mit ihm war dann aber wirklich cool und fair – und wir konnten plötzlich un- sere vergangene­n Jahre durchrechn­en und sahen, ok, jetzt haben wir fast ein normales Gehalt verdient. Der erste größere Deal mit Axel Springer war dann irgendwie surreal, muss man fairerweis­e sagen.

Zwei Jahre später kam Adidas und legte 200 Millionen Euro auf den Tisch. Ja. Man muss sich eigentlich immer wieder in die Realität zurückhole­n. Ich bin ja auch öfters am Bauernhof zu Hause und weiß schon noch immer, wo ich herkomme. Auch wenn mir Facebook die Bilder der letzten Jahre zeigt und ich mein altes, kaputtes Auto sehe. Das ist nicht lange her. Da muss man demütig sein. Auf der anderen Seite: kein schlechtes Gewissen. Es ist alles selber verdient, wir haben niemandem wehgetan.

Nehmen es Ihnen Ihre Eltern eigentlich übel, dass Sie den Bauernhof nicht weiterführ­en? (lacht) Mittlerwei­le absolut nicht mehr.

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