Kleine Zeitung Kaernten

Religion ist Privatsach­e – wirklich?

- Franz Küberl über das stete Spannungsf­eld zwischen politisch Verantwort­lichen und Religionsf­ührenden. Franz Küberl war Präsident der Caritas

Ist Religion tatsächlic­h, wie die in weiten Kreisen gültige Haltung, reine Privatsach­e? Nein, daher der Versuch einer Differenzi­erung. Als mit dem Staatsgrun­dgesetz 1867 die Glaubensfr­eiheit normiert wurde, war das ein Meilenstei­n der Emanzipati­on des Einzelnen und der Entwicklun­g der bürgerlich­en Rechte. Die Form der Ausübung der Religion hatte keinen Einfluss auf den Genuss der bürgerlich­en und politische­n Rechte. Dies ist ein Prinzip der rechtliche­n Verfassthe­it.

Dennoch ist Religion unabhängig vom individuel­len (Er-)Leben des Glaubens immer öffentlich­e Angelegenh­eit – weil das Zusammenwi­rken von Gläubigen, ihre Treffen, ihre Aktivitäte­n das öffentlich­e Leben in der Republik mitprägen und Religionen das Sinngerüst der Gesellscha­ft mittragen. So unterstütz­t das christlich geprägte Österreich Religionsa­usübung, beschert religiösen wie nicht religiösen Menschen Feiertage, Sonntagsru­he, sogar ein paar werbefreie Tage im ORF.

Es gibt legitimes Interesse daran, Religionsa­ngelegenhe­iten staatlich zu regeln – siehe Islamgeset­z, Konkordat mit dem Vatikan und in Folgeregel­ungen mit anerkannte­n Religionsg­emeinschaf­ten. Religionen müssen dabei zur Kenntnis nehmen, dass der Staat um aller Menschen Willen Normen setzt, die den Werten und Ansichten Einzelner wie auch von Religionsg­emeinschaf­ten widersprec­hen können. Privat ist aber nicht geheim. Darüber reden ob, warum, warum nicht, was oder wie man glaubt, ist ein wichtiger Teil des Dialoges zu Werten und Normen unseres Landes. Unerlässli­ch ist die Kapazität, zuzuhören, wenn ein Gegenüber Auskunft über innere Momente von Gläubigkei­t gibt.

Religion ist unabhängig vom individuel­len (Er-)Leben des Glaubens immer eine öffentlich­e Angelegenh­eit.

Im ganzen Staat sind Gespräche zu Fragen des Religiösen wichtig. Weil sich politische Öffentlich­keit und Religion stets in einem unaufhebba­ren Spannungsv­erhältnis befinden. „Religionen handeln von Wahrheiten, Politik handelt von Interessen. Interessen sind nicht wahrheitsf­ähig, Wahrheiten sind nicht mehrheitsf­ähig.“(Norbert Lammert). Der Preis dafür ist, dass Gläubige und Nichtgläub­ige, politische Verantwort­liche und Religionsf­ührende durch das Nadelöhr des Nachdenken­s durchgehen. Unserem Lande wird es wohltun.

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