Das Urteil aus der Distanz
Die Flüchtlingsströme sind dabei, sich in immer langsamer fließende Bäche zu verwandeln. Zwar noch lange nicht ausgetrocknet, aber doch keine reißenden Fluten mehr, vor denen man sich fürchten müsste. Damit sollte die Zeit angebrochen sein, den Emotionen bei der Frage, ob jemand im Land bleiben darf, etwas entgegenzusetzen: eine nüchterne Betrachtung der einzelnen Anträge.
Zwei aktuelle Fälle legen die Vermutung nahe, dass dieser Wunsch keine Realität ist. Mehrere Familien mit kleinen Kindern aus Afghanistan und eine Familie aus Dagestan – sie alle könnten abgeschoben werden. Eine der „Grundlagen“dafür: Sie sollen sich nicht gut integriert haben. Dem widersprechen die Betreuer und im Fall der Familie aus Dagestan, die seit Jahren in Osttirol wohnt, auch die gesamte Stadtpolitik, der Tiroler Bischof und viele Lienzer, die gestern Abend ein Lichtermeer veranstaltet haben.
Vielleicht sollte man gar nicht die Menschlichkeit als Argument ins Feld führen, denn diese hat gegen Gesetze und eine emotionalisierende Politik wenig Bestand. Aber man darf trotzdem an etwas erinnern: Es geht immer um Menschen. Und diese haben es verdient, egal wie die Entscheidung am Ende ausschaut, dass aufgrund von Fakten über sie entschieden wird – und da gehören die konkreten Lebensumstände dazu.