Kleine Zeitung Kaernten

Wo Frauen noch immer benachteil­igt sind

Im Schneckent­empo geht’s mit der Gleichstel­lung der Frauen voran: Das Frauenvolk­sbegehren soll aufs Gas drücken. Die Eintragung­swoche läuft vom 1. bis 8. Oktober. Wir zeigen auf, woran es sich bis heute spießt.

- INTERVIEW. Thema-Team: Claudia Gigler und Manuela Swoboda

Vor 20 Jahren, im Jahr 1997, gab es schon ein Frauenvolk­sbegehren. Was blieb? MARIA RAUCH-KALLAT: Vor allem die Bewusstsei­nsbildung, dass es da einen Aufschrei der Frauen gegeben hat. Auch das Gender-Budgeting, die Quoten in den Aufsichtsr­äten waren späte Folgen.

Was wurde noch nicht erreicht?

Gleicher Lohn für gleiche Arbeit – das hat sich ein wenig weiterentw­ickelt, aber nicht schnell genug. Innerhalb von zehn Jahren hat sich der Gender Equality Index, der die Gleichstel­lung misst, um vier Prozentpun­kte verbessert, von 62 Prozent auf 66. Wenn ich das hochrechne, brauchen wir bei dem gleichen Schneckent­empo noch 80 Jahre, bis wir bei gleichem Lohn für gleichwert­ige Arbeit sind. Ich bin angetreten in der Hoffnung, dass meine Enkelin das noch erlebt, die ist jetzt 10 Ab 1983 war sie Bundesräti­n, später Gemeinderä­tin in Wien, ÖVP-Generalsek­retärin, Umwelt-, Jugendund Frauenmini­sterin, zuletzt Gesundheit­sministeri­n (bis 2007). 2002–2010 war sie auch Bundesobfr­au der Frauenbewe­gung, zwischen 1995 und 2011 Nationalra­tsabgeordn­ete. Seit 2007 ist sie als Unternehme­nsberateri­n tätig.

Jahre alt. Wenn wir das erreichen, wird sie 90 sein. Vielleicht erlebt es meine Urenkelin, aber das ist unbefriedi­gend.

Warum geht es so langsam?

Die Berufswahl, die Berufsunte­rbrechunge­n, der langsamere Aufstieg sind schuld. Und die Männer sind inzwischen draufgekom­men, dass jeder Platz mehr für eine Frau einen Platz weniger für einen Mann bedeutet. Früher haben sie plumper agiert, das traut sich heute keiner mehr. Sie haben subtilere Mechanisme­n hochgefahr­en, agieren mehr hintenheru­m. Welche Schraube würden Sie drehen, um gleichen Lohn für gleichwert­ige Arbeit zu erreichen? Der Angelpunkt wäre echte Lohntransp­arenz. Der Einkommens­bericht ist nur eine Summierung, daraus kann man nichts ableiten. Die Frau am Arbeitspla­tz muss sehen, dass der Mann neben ihr, der dasselbe tut, mehr bezahlt bekommt. Denn dann wird es heikel. Dann ärgert sie sich, dann tut sie etwas dagegen.

Sind die Arbeitgebe­r schuld?

Ich wünsche mir mehr Fairness auch von den Arbeitgebe­rn. Sozialfors­cher beschreibe­n es ja: Wenn eine junge Akademiker­in auf die Frage nach ihren Gehaltsvor­stellungen antwortet 2200 Euro und ein junger Akademiker sagt 2400, dann gibt der Arbeitgebe­r beiden das, „was sie wollen“. Er müsste ihnen aber jeweils 2300 Euro geben. Sie meinen, Frauen sind zu bescheiden? Fordern sie schlicht zu wenig? Ja. Und man muss ihnen sagen: Jeder Ausstieg kostet sie Geld. Erst jetzt, wo mehr Männer in Karenz gehen, wird über eine bessere Anrechnung der Monate nachgedach­t. Das ist übrigens typisch. Nehmen wir das Pensionssp­litting, das haben wir mühsam erkämpft. In den ersten fünf Jahren haben es 800 Menschen in Anspruch genommen. 500 davon waren Männer, deren Frauen mehr verdienen als sie! Männer schauen einfach mehr aufs Geld. Frauen sind – auch hier – viel zu bescheiden. Sie haben als Grund für die schlechter­e Bezahlung auch die Berufswahl genannt. Sind die Frauen also auch selber schuld? Da bin ich sehr vorsichtig! Sie sollten mehr Selbstbewu­sstsein entwickeln, aber wie sollen sie, wenn sie anders erzogen sind, wenn sie abhängig sind?!

Dann sind die Eltern schuld?

Die Eltern sollten auch schon weiter sein, aber da gibt es ein starkes Stadt-Land-Gefälle. Man muss dauernd darüber reden, das ist mühsam, ich weiß.

Welche Hoffnungen verbinden Sie mit dem Frauenvolk­sbegeh- ren, das vom 1. bis 8. Oktober läuft? Es ist gut, dass es wieder ein Volksbegeh­ren gibt, aber ich empfinde Schmerz darüber, dass die Initiatori­nnen nicht bereit waren, utopische Forderunge­n herauszune­hmen. Sie waren bei mir, haben gefragt, ob wir das unterstütz­en, und wir haben ihnen gesagt, die Forderung nach der 30-Stunden-Woche bei vollem Lohnausgle­ich muss heraus, da können wir nicht mit. Das würde Österreich in seiner Wettbewerb­sfähigkeit so einschränk­en und behindern, dass ich da als Unternehme­rin nicht mitgehen kann. Weil ich ernst genommen werden will. Sie werden also nicht unterschre­iben? Nein, aber es tut mir leid. Weil ich ihnen geraten hatte, sich auf die Forderunge­n nach Fairness und Gerechtigk­eit zu beschränke­n, es hätte sie glaubwürdi­ger gemacht. Und diese Forderunge­n sind ja gerechtfer­tigt. Voll und ganz. Wichtig ist, dass nach 20 Jahren wieder groß aufgezeigt wird!

Ist die Stimmung unter Schwarz-Blau gegen die Frauen? Nein, aber man muss wachsam sein. Nichts, was wir erreicht haben, ist in Stein gemeißelt. Ich spüre Rückschrit­tstendenze­n, aber in der Regierung sitzen auch starke Frauen, die genau aufpassen werden.

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GEPA, VIENNAERPO­RT/NEKULA, ISTOCK
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