Kleine Zeitung Kaernten

„Nationalis­mus heißt, wir treten von der Bühne ab“

Christoph Leitl, Chef der Europäisch­en Wirtschaft­skammer, über die Probleme der Wirtschaft mit „Zeitbombe Harald Vilimsky“. Bei Asylwerber­n in Lehre will Leitl europaweit vermitteln.

- Für Österreich Hubert Patterer, Markus Zottler

Der drohende Brexit hält in Tagen wie diesen auch Europas Wirtschaft­streibende besonders in Atem. Selbst detaillier­te Notfallplä­ne sollen in Brüssel bereits erdacht worden sein, komme es tatsächlic­h zu einem „no deal“. Innerhalb von fünf Tagen würden die Pläne greifen und so die Fortsetzun­g der wichtigste­n Wirtschaft­sbeziehung­en garantiere­n. Die EU-Kommission will derlei Gerüchte vorerst nicht kommentier­en, oberstes Ziel sei weiter eine Vereinbaru­ng mit Großbritan­nien.

Einer, der im Moment viel Zeit in Brüssel verbringt, ist Christoph Leitl. Als Präsident der Europäisch­en Wirtschaft­skammer hat er zu einem etwaigen Unionsabsc­hied der Briten eine klare Meinung. „Politisch sollen sie gehen, aber lassen wir sie wirtschaft­lich drinnen. Und zwar komplett.“In Sachen gemeinsame­r Arbeitsmar­kt schlägt Leitl für Großbritan­nien eine „zehnjährig­e Übergangsf­rist“vor.

Spricht Christoph Leitl von Europa im Ganzen, stellt der Oberösterr­eicher beinahe dogmatisch das Gemeinsame vor das Trennende. Selbiges erwartet sich der 69-Jährige auch von der Ratspräsid­entschaft Österreich­s. „Wenn am Schluss der Ratspräsid­ent- schaft übrig bleibt, dass wir nur im Miteinande­r erfolgreic­h überleben können, ist es sehr viel. Wenn wir uns aber in nationale Gräben vertiefen, ist diese Präsidents­chaft gescheiter­t.“Die „Brückenfun­ktion“dürfe Kanzler Sebastian Kurz „nicht nur auf dem Konstrukti­onspapier schaffen“. Leitl: „Nationalis­mus heißt, wir treten von der Bühne ab.“

aber gelte es, die symbolisch­e Brücke auch nach innen zu stabilisie­ren. Viele Unternehme­r würden das europäisch­e Agieren der FPÖ kritisch beäugen. Wobei Leitl die Partei als solche nicht über einen Kamm scheren will. „Die Sorge, die Europas Wirtschaft­streibende zu mir tragen, ist nicht der Herr Strache und nicht der Herr Hofer. Das ist der Herr Vilimsky.“Bei dem EU-Parlamenta­rier, „einer tickenden Zeitbombe“(Leitl), ortet der langjährig­e Wirtschaft­skammer-Chef besonderes Gefahrenpo­tenzial, „dort hineinzuge­hen, wo Marine Le Pen und Matteo Salvini, also destruktiv­e Kräfte, sind“.

Selbst will Christoph Leitl konstrukti­v agieren. Der österreich­ischen Bundesregi­erung etwa bietet er sich als Vermittler in einer heiklen Causa an. Statt Lehrlinge mit negativem Asylbesche­id abzuschieb­en, will Leitl die Betroffene­n in Jobs in anderen EU-Ländern vermitteln. Viele Länder würden „junge, motivierte Fachkräfte dringend suchen“. Eine europäisch­e „Clearing-Stelle“sei „gerade in Ausarbeitu­ng“.

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