Kleine Zeitung Kaernten

Feminismus auf Georgisch

Ein Einblick in das Schwerpunk­tland auf der Frankfurte­r Buchmesse.

- Norbert Mappes-Niediek

Wenn Kulturmini­sterien vor der Welt mit der Literatur ihres Landes renommiere­n, sind sie nicht immer gut beraten. Die Nationalep­en, wie Politiker sie lieben, werden im Ausland nur selten geschätzt, und die kritischer­en Texte sind für Polit- und Tourismusw­erbung meist nicht zu gebrauchen. Georgien zum Beispiel, Gastland der Frankfurte­r Buchmesse und Heimat der Autorin Tamar Tandaschwi­li, nimmt es nach zahlreiche­n Umfragen in Sachen Patriarcha­t und Homophobie mit jedem arabischen Emirat auf. Dabei liegt seiner Führung und wohl auch der Mehrheit der Bevölkerun­g so viel daran, das Land mit seiner schicken Hauptstadt als modern und europäisch zu präsentier­en. Modern und europäisch ist aber höchstens, dass die feministis­che Psychologi­n in Georgien mit ihrem Buch eine Debatte anstoßen konnte. Die Verhältnis­se, von denen sie erzählt, sind internatio­nal dagegen nicht vorzeigbar. Die 40-jährige Eka ist Psychiater­in und erzählt aus ihrem privaten und berufliche­n Alltag von sensiblen, traumatisi­erten Frauen und gefühlsarm­en, brutalen und bestenfall­s ebenso traumatisi­erten Männern. Eka zum Beispiel mag Hunde und kümmert sich um sie, wenn sie von einem Auto angefahren werden. Das Mitgefühl steht allein Frauen zu; georgische Männer, die auch so empfinden, dürfen das nicht zugeben. Westliche Tierfreund­e, die im weltoffene­n Tiflis durchaus anzutreffe­n sind, taugen nur als Abnehmer für verwundete Tiere, für die zu sorgen „frau“selbst nicht die Kraft und die Mittel hat. Aber als Vorbild für die georgische­n Männer taugen die Fremden nicht. Die Volkserzie­hung versagt.

Wer sich in Georgien auskennt, wird die Geschichte­n brisant finden, zumal manches, wie das berühmte Kloster Dawit Garedscha, ganz unverschlü­sselt Eingang gefunden hat. Wem Georgien aber fremd ist und wer auf feministis­che Literatur seit den Tagen von Anja Meulenbelt und Irmtraud Morgner einen Blick geworfen hat, wird den überaus zahlreiche­n, zuweilen holzschnit­tartigen Figuren, den krassen Entgegense­tzungen und verträumte­n Bildern nicht viel Neues entnehmen können.

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Tamar Tandaschwi­li: Löwenzahnw­irbelsturm in Orange. Roman. Residenz-Verlag, Wien 2018. 136 Seiten, 18 Euro

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