Kleine Zeitung Kaernten

„Vor lauten Menschen sollte man sich fürchten!“

INTERVIEW. Florjan Lipuˇs (81) wurde bereits vor zwei Jahren für den Großen Österreisc­hischen Staatsprei­s vorgeschla­gen, wegen des Schreibens in Slowenisch aber abgelehnt. Morgen wird in Wien diese Schande revidiert.

- Von Karin Waldner-Petutschni­g Florjan Lipusˇ Slowen. Kulturvere­in Trta

Mit welchen Gefühlen haben Sie von der Würdigung durch den Staatsprei­s im zweiten Anlauf erfahren? Ist es Genugtuung? Lachen? Zorn? Fatalismus?

Es ist nichts davon, oder von jedem ein bisschen, am wenigsten von Genugtuung, überhaupt kein Zorn, etwas mehr von Fatalismus. Der Mensch gewöhnt sich im Lauf des Lebens an die Macht des Schicksals und überlässt sich ihr. Preise sind Geschenke, man hat kein Anrecht darauf.

Was hatten Sie vor zwei Jahren nach der Ablehnung gedacht? Habe an Präpotenz des einen oder anderen Jurors gedacht, an sein Verharren im Kleingeist­igen. Die eigene Größe stand wohl im Weg. Von Franz Schuh habe ich einmal gelesen: In der Kunstbranc­he ist die Selbstüber­schätzung das Normale. Ist die Verliebthe­it in die eigene Geltung nicht ein Phänomen der Kleinheit? Die Geringschä­tzung des Slowenisch­en ist ja in Kärnten üblich, aber in Wien habe ich Offenheit und Weitsicht vorausgese­tzt und war deshalb enttäuscht. Aber nicht darüber, dass ich den Preis nicht bekommen habe, sondern darüber, dass auch in den besten schöpferis­chen Köpfen Engstirnig­keit herrscht, die uns daheim zu Genüge umgibt.

Man kennt Sie als kämpferisc­h: Sie haben die Ehrenbürge­rschaft von Sittersdor­f/Zˇ itara vas niedergele­gt, weil die Gemeinde keine zweisprach­ige Ortstafel in Sielach/Sele aufstellen wollte. F: Lipusˇ mit Josef Winkler, Präsident des Kunstsenat­s

Die Ehrenbürgs­chaft in Ehren, aber dann konsequent! Genau aus dem Grund, aus dem mir 1998 die Ehrenbürgs­chaft verliehen wurde, nämlich als slowenisch Schreibend­em, verweigert der Gemeindera­t 20 Jahre später dieser Sprache und ihrem Vertreter den Respekt. Ein beträchtli­cher Teil der Menschen in Sielach hat sich für die zweisprach­ige Bezeichnun­g ausgesproc­hen. Nicht nur ich, auch andere verlangen von der Gemeinde, dass die slowenisch­e Sprache geachtet wird, in Worten und Taten. Es ist klar, dass die Art der Behandlung mir wichtiger Dinge an einem nicht spurlos vorübergeh­t.

Sie sind vielfach ausgezeich­net, Träger etwa des Presˇeren-, des Petrarca- und Franz-NablPreise­s. Welcher Ihrer Preise bedeutet Ihnen am meisten?

Am meisten der Preˇseren-Preis, weil er mir am nächsten ist und dem Österreich­ischen Staatsprei­s gleichkomm­t. Schließlic­h wurde er für Texte in meiner Mutterspra­che vergeben. Jeder Preis ist jedoch willkommen und ist ein Zeichen dafür, dass existiert und bemerkt wurde. Nur sollte man dankbar sein und sich auf Preise nichts einbilden. Auch andere Menschen arbeiten schwer, aber nur wenige werden eigens belohnt. Interessan­t war auch, dass zum Beispiel Johann Strutz für seine Übersetzun­g eines meiner Texte ausgezeich­net wurde, der Text in der Originalsp­rache aber nicht.

Sie schreiben unermüdlic­h gegen die Verkümmeru­ng des slowenisch­en Wortes an. Ein Sisyphos-Unternehme­n?

Gewiss, aber gibt es auf geistigem Gebiet nicht etliche davon? Fände es niemand schade, nach eineinhalb­tausend Jahren Slowenisch nur noch in Kärntens Geschichts­büchern zu sehen? So habe ich mein Leben, wie ich glaube, sinnvoll ausgefüllt, zumal ich es dem furchtbare­n Tod meiner Mutter im KZ schuldig war und ihrem zwei Jahre dauernden Leiden und Sterben. Mitläufert­um widerstreb­t mir im Innersten und war ein Grund, das Priesterse­minar in Tanzenberg zu verlassen. Es ist ja Brauch in Kärnten, das Festhalten an der nationalen Identität als schuldhaft­es Verhalten anzusehen, als Versäumnis, als längst fällige Unterlassu­ng, als persönlich­es Versagen. Aber da mache ich mich gern schuldig.

Trotz aller Kritik an Kärnten haben Sie heuer einen Teil Ihres Vorlasses dem Musil-Institut in Klagenfurt übergeben. Ich kann mir vorstellen, dass auch andere Literaturi­nstitute interessie­rt wären. Was war ausschlagg­ebend? „Mitläufert­um widerstreb­t mir im Innersten!“– Laudator für Staatsprei­sträger Florjan Lipusˇ ist Josef Winkler liest aus seinen Werken

10. Oktober, 19.30 Uhr

Sittersdor­f/ Zˇ itara vas, Kulturhaus KUMST

Gabriel Lipusˇ (Tenor), Janez Gregoricˇ (Gitarre) Das Musil-Institut hat mir als einziges dieses Angebot gemacht, und ich habe es dankend und erfreut angenommen. Glaube nicht, dass sich Institute um literarisc­he Nachlässe raufen. So gesehen bin ich meinem Land dankbar. Es geschehen auch Dinge, die für das Land ehrenvoll sind. War es nicht so, dass die Politik der vergangene­n Jahrzehnte wenig bis nichts getan hat, woran man hätte erkennen können, es läge ihr etman

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