Interview.
INTERVIEW. In der opulenten Serie „Babylon Berlin“verkörpert Karl Markovics einen österreichischen Journalisten. Über Übernachtige und den Umbruch in den 1920ern. Von Julia Schafferhofer
Karl Markovics über seine Rolle in der Serie „Babylon Berlin“, die ab heute im ORF zu sehen ist.
Sie spielen in „Babylon Berlin“ab heute im ORF einen Journalisten im turbulenten Jahr 1929 in Berlin. Wie haben Sie sich auf die Rolle vorbereitet?
KARL MARKOVICS: Das ist eine Zeit, die mich privat schon immer interessiert hat. Ich fand die Autoren von damals spannend. Ich kann mich erinnern, dass eines meiner stärksten Fernseherlebnisse „Ein Mann will nach oben“mit Mathieu Carrière war, nach einem Buch von Hans Fallada. Der erste Roman, den ich bewusst gelesen habe, war der „Dreigroschenroman“von Bertolt Brecht, der – warum auch immer – im Regal meiner Mutter stand.
Das war Ihr allererster Roman?
Ja, tatsächlich, ich habe ihn mit 13 gelesen und es war eine der verruchtesten Sachen, die man sich vorstellen konnte. Ich glau- be, meine Mutter hat nicht gewusst, dass das Buch da herumsteht, und vor allem nicht, was da drinsteht.
Was genau finden Sie an den 1920ern in Berlin spannend?
Es ist nicht mehr Erster Weltkrieg und noch nicht Zweiter, sondern die Weimarer Republik. Ein Land hatte damals nicht nur einen Krieg und seine Orientierung verloren, sondern musste gleichzeitig mit einer Moderne fertigwerden, die sie überhaupt noch nicht begreifen konnte. Es ist sagenhaft, was diese Stadt in dieser Zeit leisten musste. Es ist naheliegend, dass das wie ein Kessel war – ständig am Explodieren. Die Leute haben auch ein bisschen so gelebt, als gäbe es kein Morgen.
Samuel Katelbach ist ein speziell österreichischer Typus.
Figur ist in der Geschichte eine Randfigur, aber wie so viele Randfiguren trägt sie eine ganz spezielle Farbe bei. Das ist das Schöne an der Serie: dass die nicht nur Zuträger sind, sondern zu diesem Brennglas beitragen. Katelbach ist ein Typus, der damals erfunden wurde: ein österreichischer Autor, der jetzt Journalist ist. Wie Karl Kraus, Josef Roth oder Alfred Polgar, die alle einmal Korrespondenten in Berlin waren.
Sehen Sie Parallelen in den Zuständen von einst und heute?
Man kann diese Zeiten nicht direkt miteinander vergleichen. Aber es gibt durchaus gewisse Parallelen: Heute erleben wir – nach Zeiten von Freiheiten und des Ausprobierens – plötzlich wieder die Tendenz nach Sicherheit, nach Kontinuität. Fast eine Flucht in eine Heile-WeltOrdnung. Das lässt sich nicht leugnen. Die Zuschauer sind nicht blöd und können das schon ummünzen auf die Gegenwart. Mir war es wichtig, dass man das Verschwitzte, das Getriebene, das Verrauchte,
dass man das an diesen Menschen riecht und spürt. Die exzessiv-großartige Make-up-Abteilung hat das auch bedient. Es gab kein Beauty-Make-up. Im Gegenteil. Es wurde ins Grobporige gearbeitet – mit dreckiDie
gen Fingernägeln. Man sieht diesen Menschen den Straßenstaub, die Arbeit, den Stress und das Übernachtige an.
Sind Sie auch bei Staffel drei dabei?
Ja! Anfang November beginnen die Dreharbeiten. Ich freue mich sehr, weil ich es noch nie erlebt habe, dass ich von allen drei Autoren einen Brief bekommen habe, dass sie sich freuen, dass ich mitspiele. Ich hatte kein Casting, war aber beim Schreiben schon in den Köpfen der Autoren.
Würde den Regisseur Markovic eine Serie interessieren?
Reizen würde es mich schon. Ich weiß nicht, ob ich mir das zutrauen würde – historisch. Neulich habe ich im Südbahn-Hotel am Semmering eine Karl-KrausLesung gehabt. Eine Serie, die in diesem Hotel in der Zeit vor dem Ersten Weltkrieg spielt, muss spannend sein. Wir haben dort im Sommer alle, die Rang und Namen haben aus der Geisteskunst und der Politikwelt, auf einem Fleck.