SPÖ: Übergabe an Rendi-Wagner war schon im Mai im Gespräch
Der Überraschungscoup von Christian Kern dürfte weniger spontan erfolgt sein, als viele glauben. Laut Insidern hat Kern die Wienerin selbst zur Nachfolgerin aufgebaut. Doskozil-Abgang sollte abgewartet werden.
Die Hintergründe des plötzlichen Abgangs von SP-Chef
Christian Kern beschäftigen nach wie vor viele Kreise der Partei. Zwar halten sich die Beteiligten mit authentischen Erläuterungen zurück. Aus den Informationen von hochrangigen, eng involvierten Personen lässt sich aber eine Version herleiten, die andere Akzente erkennen lässt als das bisher bekannte Geschehen.
So dürfte Kern bereits Ende Mai mit Pamela Rendi-Wagner – wenn auch zunächst nur lose und unbestimmt – über ihre mögliche Nachfolge an der Parteispitze gesprochen haben. Kern sei sich demnach schon im Frühjahr darüber klar geworden, dass ein Wechsel notwendig ist, um der SPÖ wieder die Option auf den Regierungseintritt zu eröffnen. Sich selbst habe Kern für diesen Weg als ein Hindernis erachtet, da zwischen ihm und ÖVP-Chef Sebastian Kurz keine tragfähige Basis mehr bestehe.
Kern habe von Anfang an aus-
drücklich Rendi-Wagner als Nachfolgerin durchbringen wollen. Dafür seien Geheimhaltung und ein plötzlicher Rücktritt nötig gewesen: „Hätte die SPÖ Zeit gehabt, drei Monate nachzudenken, dann wäre es sicher nicht Rendi-Wagner geworden“, schildert ein Involvierter die Überlegungen.
Zeitlich habe man mit dem Wechsel absichtlich gewartet, bis
Hans Peter Doskozils
Abgang an die Spitze der burgenländischen Landes-SPÖ vollzogen und damit unumkehrbar geworden sei. Denn sonst hätte die Gefahr bestanden, dass Doskozil im Bund übernimmt und
Hans Niessl im Burgenland noch weitermacht. Dieser habe nämlich zuletzt durchaus erkennbar auf einen solchen Ruf nach Verlängerung gewartet.
Kerns Sorge sei gewesen, die SPÖ so zu positionieren, dass sie zur Mitte der Gesellschaft
hin anschlussfähig bleibt. Tatsächlich ist diese Linie beim linken Parteiflügel umstritten. Als der Kern-Abgang dann bekannt wurde, soll eine Gruppe rund um den nun scheidenden Klubobmann Andreas Schieder andere Kandidatinnen für den Parteivorsitz ins Spiel gebracht haben, nämlich konkret die frühere
Frauenministerin Gabriele Heinisch-Hosek
und auch die einstige SPÖ-Staatssekretärin und langjährige Siemens-Managerin Brigitte Ederer.
Mit Rendi-Wagner solle nun der ÖVP ein längerer Verbleib in der Koalition mit der FPÖ möglichst schwer gemacht werden. Die „Ausrede“von Kurz, dass „Kern nicht mit mir regieren will“, sei nun ja obsolet. Auf dem niederösterreichischen Landesparteitag wurde RendiWagner gestern bereits als „Bundeskanzlerin in Vorbereitung“tituliert.