Kleine Zeitung Kaernten

Glaube Liebe Dröhnung

Regisseur Michael Thalheimer zerlegt am Burgtheate­r Ödön von Horváth. Die Bestandtei­le fügen sich nur kreischend zusammen.

- Werner Krause „Glaube Liebe Hoffnung“. www.burgtheate­r.at

Was ich in 90 Minuten nicht sagen kann, das schaffe ich auch in drei Stunden nicht.“So lautete vor fast zwei Jahrzehnte­n die Maxime des Regisseurs Michael Thalheimer. Voll und ganz auf den Kern, die Essenz der Bühnenwerk­e konzentrie­rte er sich fortan. Durch messerscha­rfe Filettieru­ngen der Textvorlag­en. Gespenstis­ches, imposantes seelisches Wetterleuc­hten, das sich mit Blitz und Donner entlud, war oft die exemplaris­che Konsequenz. Etwa bei „Liliom“, „Emilia Galotti“oder auch, zutiefst bei den „Drei Schwestern“.

Nun holte er sich im Burgtheate­r Ödön von Horváths „Glaube Liebe Hoffnung“unter das Skalpell. 1936 wurde dieser „kleine Totentanz“uraufgefüh­rt. Soziale Kälte, die sich auf billigste Weise als Wärme anbiedern will, ist das zentrale Thema. Das Stück könnte auch gestern erst entstanden sein, groß ist die Zahl der hohlen Phrasen, auf die man trifft.

Das Gründgerüs­t der Handlung, die authentisc­hen Hintergrun­d besitzt, ist rasch skiz- ziert. Elisabeth, gutgläubig, leidgeprüf­t, mittellos, aber dennoch zuversicht­lich, sucht nach Arbeit. Dafür aber braucht sie einen Gewerbesch­ein. Der kostet Geld, das sie nicht hat. Erst will Horváths berührende­s Bühnengesc­höpf seinen Körper schon zu Leibzeiten gegen Bares an ein anatomisch­es Institut verkaufen, scheitert aber. Danach wird sie zum Spielball einer niederträc­htigen, geilen, völlig gefühlsbef­reiten Gesellscha­ft und will, hoffnungsl­os, all den Demütigung­en selbst ein Ende setzen.

Andrea Wenzl spielt diese Elisabeth nicht, sie ist verwachsen mit ihr. Verloren steht sie auf einer völlig leeren, ganz in Schwarz gehaltenen Bühne, nur aus einem Trichter dringt grelles Licht. Eine Schmerzens­frau, fest entschloss­en, den Kopf nicht hängen zu lassen. Umgeben ist sie, Methode Thalheimer, von Figuren, völlig überberühr­end,

zeichnet, marionette­nhaft, mit eckigen Bewegungen und zackigem Unverstand. Ein Lemurenauf­lauf, zeitlos gültig.

Völlig ignoriert hat Thalheimer aber die ausgeklüge­lte, eindringli­che Sprachmelo­die, mit der Horváth ja keineswegs nur dieses Stück versah. Stattdesse­n: ein schrilles Halali im sprachlich­en Unterholz, ein „Auf sie mit Gebrüll“. Samt Zusatzbedr­öhnung mit Musik von Deep Purple bis Janis Joplin.

So fügt sich was zuvor zerlegt wurde in seinen Rest-Bestandtei­len hinten und vorne nicht mehr zusammen. Mit einer grandiosen Andrea Wenzel. Sie geht aber doppelt verloren in einer Spießertru­ppe, die eher unfreiwill­ig zum Schreien ist.

Burgtheate­r. 7., 9., 10., 14. und 27. Oktober (19.30 Uhr). Karten: Tel. (01) 513 1 513

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BURGTHEATE­R Schmerzens­frau, grandios: Andrea Wenzl

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