Deutsche Regierung beschließt Paket, um Dieselfahrverbote zu verhindern. Doch viele Details bleiben offen, Hersteller skeptisch.
Deutsche Regierung erzielt Einigung im Dieselstreit. Doch viele Hersteller bremsen. Zahlreiche Details sind offen.
Etwas mehr als ein halbes Jahr liegt die Neuauflage der schwarz-roten Regierungskoalition in Deutschland nun zurück. In dieser Zeit haben Union und SPD vor allem mit internen Streitereien von sich reden gemacht. Die Wähler wenden sich angewidert ab. Bundeskanzlerin Angela Merkel (CDU) sowie die Parteichefs von CSU und SPD, Horst Seehofer und Andrea Nahles, haben sich deshalb vorgenommen, verlorenes Vertrauen zurückzugewinnen.
Eine Nagelprobe dafür könnte das Thema Diesel sein: Bis in die frühen Morgenstunden saßen Spitzenvertreter der Koalition in der Nacht zum Dienstag zusammen. Es ging u. a. um die Folgen des Dieselskandals und die Frage, wie Luftqualität in den Ballungsräumen schnell verbessert werden kann. Wegen zu hoher Stickoxid-Belastungen drohen vielerorts Fahrverbote. Wer sich als Autofahrer von seinem alten Dieselauto trennen will, erzielt nur noch einen miserablen Preis. Als Verkehrsminister Andreas Scheuer (CSU) und Umwelt-Ressortchefin Svenja Schulze (SPD) das Ergebnis des nächtlichen Sitzungsmarathons präsentierten, waren sie voll des Lobes für sich selbst. Man habe sich auf einen „sehr, sehr großen Schritt“verständigt, sagte Scheuer. Schulze meinte, die Koalition habe „an einem langen Abend ein gutes Konzept auf den Weg gebracht“.
stimmt, wird sich erst noch zeigen müssen. Denn Union und SPD verständigten sich auf einen äußerst komplizierten Plan mit vielen Unbekannten. Sie sind dabei auf den guten Willen der Autoindustrie angewiesen. VW, Daimler und BMW sind zu gewissen Konzessionen bereit, wollen aber möglichst billig davonkommen. Ob die ausländischen Hersteller uneingeschränkt mitziehen, ist offen. Um „Dieselstinker“der Schadstoffklassen Euro 4 oder Euro 5 von der Straße zu holen, soll es Umtauschprämien der Hersteller geben. Die betroffenen Kunden bekommen also einen Rabatt, wenn sie ihr altes Fahrzeug gegen ein neues oder einen jungen Gebrauchten eintauschen. Die Alternative dazu sind Nachrüstungen alter
Diesel mit einem System zur Stickoxid-Minderung (Harnstoff-Einspritzung), sofern diese Systeme „verfügbar und geeignet“sind. Die Kosten sollen die Hersteller tragen.
Der große Pferdefuß: Umtauschprämien oder Hardware-Nachrüstungen soll es nicht bundesweit geben, sondern nur in 14 Städten samt Einzugsbereich, in denen die Stickoxid-Belastung besonders hoch ist. Dazu zählen u. a. Metropolen wie München, Hamburg, Stuttgart, Köln und Düsseldorf. Auf der Liste stehen überdies mittelgroße Städte wie Reutlingen, Ludwigsburg oder Limburg an der Lahn. Hinzu kommen Städte, in denen schon bald Fahrverbote drohen – zum Beispiel in Frankfurt am Main.
In insgesamt
65 Städten soll es staatliche Förderprogramme für die Umrüstung von kommunalen Fahrzeugen, Taxis und Lieferwagen geben. Eine „blaue Plakette“für verhältnismäßig schadstoffarme Autos, die im Falle von lokalen Fahrverboten eine Einfahrt in gesperrte Zonen gestatten würde, soll es nicht geben.
Bei dem Regierungskonzept handelt es sich um eine politische Willenserklärung, mehr nicht. Der BMW-Konzern teil- te bereits mit, dass er sich nicht an Nachrüstungen beteiligen werde. Auch Opel hat das nicht vor, weil die Umbauten „ökonomisch nicht sinnvoll und technologisch nicht ausgereift“seien. Von Daimler gibt es hierzu bisher ebenfalls keine Zusage. BMW will seinen Kunden 6000 Euro gutschreiben, wenn diese ihren alten Diesel in Zahlung geben und einen Neuwagen ordern. Bei Daimler sollen es bis zu 10.000 Euro sein, Volkswagen will für Euro-5-Diesel 5000 Euro Umtauschprämie zahlen. Branchenkenner gehen davon aus, dass die Hersteller versuchen werden, die Umtauschprämien mit anderen Preisnachlässen zu verrechnen.
Die Deutsche Umwelthilfe, die Fahrverbote für zwingend notwendig hält, hatte nur Spott für die Regierungspläne übrig: Das Konzept sei eine „doppelte Null-Lösung“. Wieder einmal sei die Koalition vor der Industrie eingeknickt.